Briefkopf - ALBERT MILDE k. k. Hof-Kunst-Bauschlosser und Eisenkonstrukteur zu Wien; von 7.2.1839 bis 8.11.1904

Aussiger Anzeiger, Samstag den 31. Oktober 1874

Wiener Weltausstellung 1873; Industriepalast

k. k. Albert Milde

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Titelseite

 

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Aussiger Anzeiger, Samstag den 31. Oktober 1874

Feuilleton: Zwischen Ost und West;
(Nach der Ausstellung im Industriepalast)
Wiener Weltausstellung 1873

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Es ist dort eine vollständige Sammlung von Beschlägen ausgelegt. Von dem zarten und zierlichen Chatouillencharnier [Schatullen Scharnier] bis zur massiven Türangel, vom graziösen Kassettenhenkel bis zu dem Knauf, welchen man an Haustüren sieht, vom Schlossplättchen, welches das Schmuckkästchen schmückt, bis zu dem prächtigen Schlossbeschlag der Kirchenpforte. Diese ganz reiche und schöne Sammlung stammt aus der Fabrik des Herrn Albert Milde her, die sie der Lehrmittelsammlung des Handelsministeriums widmete. Die Beschläge dieser Firma genießen Weltruf. Fast in allen Gewerbemuseen findet man Musterkollektionen derselben aufgestellt, in allen Gewerbeschulen und technischen Lehranstalten sind sie die beliebte und bevorzugte Vorlagen. Es ist nicht allein die technische Vollkommenheit und Exaktheit, mit der diese Arbeiten ausgeführt sind, die ihnen ihren großen Ruf verschafft, es ist auch die künstlerische Behandlung des Metalls, die bei ihnen zu Tage tritt. Die Kunstschlosserei, früher in Wien arg vernachlässigt, hat in den letzten Jahren sich bei uns zu einer Industrie ersten Ranges entwickelt. Ihr ältester Repräsentant, Herr Gschmeidler, der sich und seiner Kunst mit den Gittern in der Rotunde und mit der Rotundenkrone ein herrliches Denkmal setzte, ist durch diese seine prächtigen Werke zum finanziellen Ruin gebracht worden und musste sein Atelier schließen. Jetzt ist Herr Albert Milde der vornehmste Repräsentant dieser Wiener Industrie. Im Auslande war er von jeher ihr berühmtester Vertreter. Er war der Einzige seines Faches in Wien, der seit zehn Jahren alle Ausstellungen beschickte. Auf allen errang er den ersten Preis.

Es ist nicht ohne Interesse, an diesem einen Beispiele den großen und heilsamen Einfluss zu beleuchten, den die neue Bau-Ära unsere Stadt auf die Belebung und Entwicklung der Kunstgewerbe bei uns übte. Im Jahre 1863 begann Herr Albert Milde sein Geschäft im bescheidensten Maßstabe, in einer kleinen Werkstätte mit drei Arbeiter, heute ist er Besitzer eines großen musterhaft eingerichteten Etablissements, in welchem er hunderte Arbeiter beschäftigt. Diesen großen Erfolg verdankt er dem regen Verständnis, mit dem er die Richtung und die Bedürfnisse der Zeit erfasste. In seinen Arbeiten belebt sich die große Tradition der Renaissance wieder. Die Metallarbeiten der Blüte-Epoche des Kunsthandwerks finden in seinen Werken geniale Nachbildung. Der Flügel eines Gittertores, welches aus seinem Atelier stammt, bildet das anziehendste Objekt dieser Ausstellung; die eine Hälfte dieses Tores ist das prächtige Gegenstück eines Torflügels aus dem 16. Jahrhundert, welcher der Kollektion alter Metallwerke angehört, die Herr Albert Milde sammelte. Die künstlerische Formung des Metalls mit dem Hammer ist eben das mustergültige Moment in den Arbeiten dieses Industriellen. Nebst den Beschlägen und den Gittern ist von ihm auch eine Mustersammlung genieteter Bauträger und Brückenkonstruktionen ausgestellt.

Die Konstruktionsarbeiten sind der jüngste Zweig seiner Produktion, den er mit selten mutigen Unternehmungsgeist in der ungünstigen Zeit, aber mit vielem Glück einführte. Diese Richtung seiner Tätigkeit bot ihm Anlass zur Etablierung eines eigenen technisch-artistischen Bureaus, welches wesentlich beitragen wird, die errungenen Erfolge dieser Wiener Industrie festzuhalten und zu mehren.

An scheinbar untergeordneten Dingen, an Hobeln, Schlössern und Beschlägen zogen wir den Vergleich zwischen der Technik des Orients und Okzidents, und doch wie lehrreich ist dieser Vergleich, wie sehr zeigt er den großen Abstand zwischen der Arbeitsleistung des Ostens und jener des Westens.

 

siehe auch Wiener Weltausstellung 1873