Briefkopf - ALBERT MILDE k. k. Hof-Kunst-Bauschlosser und Eisenkonstrukteur zu Wien; von 7.2.1839 bis 8.11.1904

Bodenkredit-Anstalt, 1010 Wien, Teinfaltstraße 8

Schmiedeeiserne Gittertüren, pompöse Laternen, usw., 1887

k. k. Albert Milde

Archivbild 1: Gebäude der Bodenkredit-Anstalt, 1887; 1010 Wien, Teinfaltstraße 8

Archivbild 1: Gebäude der Bodenkredit-Anstalt (1)
1010 Wien, Teinfaltstraße 8

 

Archivbild 2: Gebäude der Bodenkredit-Anstalt, Detail der Fassade

Archivbild 2: Gebäude der Bodenkredit-Anstalt, Detail der Fassade (2)

 

Archivbild 3: Bodenkredit-Anstalt, Mittelpartie der Hauptfassade

Archivbild 3: Bodenkredit-Anstalt, Mittelpartie der Hauptfassade (3)

 

Archivbild 4: Bodenkredit-Anstalt, Hauptstiege

Archivbild 4: Bodenkredit-Anstalt, Hauptstiege (4)

Um der so gediegenen in Schmiedeeisen in den renommierten Werkstätten des Bau- und Kunstschlossers Albert Milde ausgeführten als schwungvoll in ihrer architektonischen Formen sich darstellenden Gittertore und pompösen Laternen willen haben wir diese Aufnahme veranstaltet. (5)

Die Direktion der k. k. priv. allgemeinen österreichischen Bodenkredit-Anstalt entschloss sich im Frühjahr 1884 zur Errichtung eines neuen und eigenen Anstaltsgebäudes auf dem Areal des von ihr zu diesem Zwecke akquirierten alten Gebäudekomplexes in der Teinfaltstrasse, welcher unter dem Namen »die Klepperstallungen« bekannt und einer jener Überreste aus Alt-Wien war, welcher zur Regulierung und Sanierung der inneren Stadt unbedingt fallen musste. Er lehnte sich an die alten Stadtmauern und hatte nach Entfernung derselben eine eigentümliche unförmige Gestaltung. Die Regierung der Teinfaltstrasse, welche eine Hauptverbindungsader aus der Stadt nach dem neuen Rathausplatze und zum neuen Burgtheater werden musste, war zu den größten Bedürfnissen geworden. Die Umgestaltung und Erweiterung vollzog sich rasch und es unterlag keinem Zweifel, dass die wenigen Häuser, welche noch von der Regulierung dieser Straße tangiert wurden, auch in kürzester Zeit vollends vom Schauplatze verschwinden werden. Wahrlich wer heute diese Straße durchschreitet, ahnt nicht, dass sie einst nicht ganze zwei Klafter breit war, und bei ihrer Frequenz und Belebung durch das sich in den Straßenlokalen bemerklich machende Kleigewerbe lebhaft an die Gassen Venedigs erinnerte.

Die k. k. priv. Bodenkredit-Anstalt lud nun sieben Architekten zur Erbringung von Projekten ein. Das Ergebnis dieser Konkurrenz war, dass der Plan des Architekten E. Ritter v. Förster als derjenige ausgewählt wurde, welcher den Bedürfnissen der Anstalt am meisten entsprach, und es wurde diesem Architekten auch alsbald der ehrenvolle Auftrag zu Teil, den Bau in Angriff zu nehmen. Im Herbst des Jahres 1884 wurde mit der Demolierung der alten Gebäude begonnen und diese so rasch durchgeführt, dass im Frühjahre 1885 bereits an die Fundierung des neuen Gebäudes geschritten werden konnte. Es war dem bauleitenden Architekten die Aufgabe gestellt, dasselbe noch im Jahre 1885 unter Dach zu bringen, was bei den schwierigen Fundationsverhältnissen, bei der Größe des Baues und bei dem Umstande, dass die Fassade größtenteils mit Stein verkleidet werden sollte, große Anstrengungen aller Beteiligten notwendig machte. Die Fundierungsarbeiten wurden erschwert durch teilweise, den Baugrund durchlaufende alte Stadtmauern, welche gänzlich entfernt werden mussten, endlich durch sieben aufgefundene 18 Meter tiefe Brunnen, welche mit Pferdegerippen und Schutt angefüllt waren. Da das neue Gebäude selbst unter dem Souterrain noch gänzlich unterkellert werden musste, so waren die Unterkellerungen allein schon eine bedeutende Arbeit.

Die Grundrisse geben ein Bild von der generellen Einteilung des Gebäudes und geht daraus hervor, dass das Hochparterre, mit Ausnahme des rechtsseitigen Gebäudeteiles, welcher für die Geschäftsräume der neuen Wiener Sparkassa, welche ein Zweig-Institut der Anstalt bildet, reserviert ist, zu einem großen Saale formiert wurde, der, als Kassensaal in Teile gruppiert, den einzelnen Geschäftsteilen des Institutes dient, welche, wenn auch getrennt, einen leichten Verkehr untereinander ermöglichen mussten. Aus diesem Saale vermitteln Treppen und Aufzüge den Verkehr mit den Souterrainlokalitäten, in welchen unter anderem die Tresors und deren Vorräume untergebracht sind. Alle diese speziellen Souterrainräume sind mit gepanzerten Mauern umgeben und mit einbruchsicheren Türen versehen, außerdem aber noch mit einem kontrollierten Bewachungssystem umgeben, wobei die Wächter die Tresorräume übersehen, aber nicht betreten können. In den Kellerräumen unter dem Souterrain befinden sich einerseits die maschinellen Anlagen zur Erzeugung der elektrischen Beleuchtung, indem das Gebäude mit zirka 1200 Glühlichtern zu beleuchten ist und andererseits die Anlage für Beheizung und Ventilation des ganzen Gebäudes. Diese letztere Anlage wurde von der Firma Joh. Haag hergestellt, und zwar in der Weise, dass der große Kassensaal im Hochparterre eine kombinierte Heizung mit Luft- und Heißwasserheizung bekam, alle übrigen Räume des Hauses mit Heißwasserheizung versehen sind. Hierbei wurde ein sehr praktisches und ökonomisches Doppelsystem durchgeführt, nach welchem einerseits ein Rohrsystem an den Hauptmauern entlang fortführt, andererseits ein zweites an den Mittelmauern mit Schlangenöfen, so dass nach Erfordernis geringere oder stärkere Heizungen vorgenommen werden können, wie es die Außen-Temperatur erfordert. Zur Installierung der elektrischen Beleuchtung befinden sich in dem linksseitigen Hofe drei Dampfkessel und in dem Lokale nebenan zwei Dampfmaschinen zu je 40 Pferdekräften mit den Dynamomaschinen. Das Licht wird jedoch nicht mit direktem Antriebe aus den Maschinen bezogen, sondern durch zwei große Akkumulatoren-Batterien, wodurch die Beleuchtung eine vollkommen ruhige und zu jeder Zeit benutzbare ist. Eine solche Anlage darf wohl als die vollkommenste bezeichnet werden, wenn sie auch bedeutende Kosten erfordert. Dieselbe wurde von der Firma B. Egger beigestellt.

Die Grundrisse des 1. und 2. Stockes zeigen die Einteilung dieser Teile des Gebäudes und geht aus denselben hervor, dass sämtliche Bureaus durch eine leicht übersichtliche Kommunikation mit einander in Verbindung gebracht sind, die Stiegenhäuser eine solche nicht unterbrechen und dass die Ungunst der unregelmäßigen Grundform auf eine praktische Weise ausgenützt wurde, so dass auch alle Räume eine regelmäßige Form haben und Licht und Luft allseitig genügend zutritt. Sowie die erforderlichen Direktionsräumlichkeiten aneinandergereiht sind, so ist dies mit den übrigen Geschäftsgruppen der Anstalt arrangiert und stehen alle diese Geschäftsgruppen durch ein ausgebreitetes Telefonnetz mit einander in Korrespondenz. Vom Kassensaal zum Saale der Korrespondenz im 1. Stock findet ein lebhafter Dienst statt; um diesen raschestens zu vermitteln, wurde eine pneumatische Briefpost eingerichtet, welche sinnreiche Einrichtung von dem Ingenieur A. Freissler hergestellt wurde und sich vorzüglich bewährt.

Der 3. Stock des Hauses ist für Wohnungen eingerichtet und haben diese ihre eigene, am äußersten linken Ende des Baues von der Teinfaltstraße aus zugängliche Treppe, die sie aus aller Verbindung mit den Geschäftsräumen des Gebäudes lostrennt.

Wegen Vermeidung aller Feuersgefahr wurden alle Deckenkonstruktionen zwischen eisernen Traversen eingewölbt, wie überhaupt auf die Durchführung des ganzen Baues große Sorgfalt verwendet wurde.

Die höchst solid durchgeführten Maurerarbeiten waren dem Baumeister Alois Schumacher übertragen, die Steinmetzarbeiten dem Steinmetzgeschäft Anton Wasserburger.

Die großen Verhältnisse an Stockwerkshöhen, Entfernung zwischen den Fenstern etc. bildeten eine Grundbedingung des ganzen Baues, es war daher dem Architekten eine willkommene Gelegenheit, dem Gebäude einen einheitlichen, palastartigen Charakter geben zu können, und wählte er hierzu den florentinischen Palaststil, natürlich mit der nötigen Umgestaltung, wie sie unsere modernen Verhältnisse erfordern. Auch die Dekorationen der Innenräume sind in einfach würdiger Weise, dem Stile entsprechend gewählt und das Hauptaugenmerk auf eine würdige Ausstattung des Hauptstiegenhauses gelegt, welches den Verkehr mit den Direktionsräumen vermittelt.

Archivbild 4 stellt einen Blick in das Stiegenhaus dar. Erwähnt muss noch werden, dass der Reichtum an Skulptur einen Ersatz bilden musste für den Mangel an Farbe, da die Anwendung solcher vom Bauherrn, als dem Zwecke des Gebäudes nicht entsprechend, ausgeschlossen war. Das Gebäude ist errichtet auf einer Fläche von zirka 26oo Quadrat-Meter, und beliefen sich die Kosten des Baues samt Installierung von Gas und elektrischer Beleuchtung, Heizungsanlagen und der übrigen zum Gebäude gehörigen Einrichtungen auf den Betrag von 1,200.000 fl. ö. W. Dem Verkehre übergeben wurde das Gebäude am 1. Mai 1887, nachdem dasselbe im Winter 1886 auf 1887 der Heizung unterzogen, daher entsprechend ausgetrocknet war. Die eigentliche Bauzeit umfasste also 2½ Jahre.

Bei der in Wien förmlich frappierenden Neuheit des für das Bankgebäude als Vorbild gewählten toskanischen Palaststil es aus der Frührenaissance des 15. Jahrhunderts lohnt es sich, der äußeren Erscheinung des Baues einige Beachtung zu schenken.

Bei der Wahl dieses Baustiles mag dem Architekten vorgeschwebt haben, dass die in den umpanzerten Tresorräumen bewahrten Werte und Dokumente ein wesentliches Charakteristiken eines Bank - Instituts bilden und daher ein wahrer, widerstandsfähiger, gedrungener und geschlossener Stilcharakter auch nach außen hin dem Bank - Palaste entsprechend sein müsse.

Wir glauben unseren Lesern einen Dienst zu erweisen, wenn wir für die nähere Besprechung des Äußeren der Bodenkredit-Anstalt ihnen das Bezügliche aus einer Serie von Besprechungen der Neubauten in Wien reproduzieren, welche der Kunstgeschichte-Professor Joseph Bayer, dieser exquisit feine Kunstschriftsteller, ab und zu in dem Journal »Neue Freie Presse« veröffentlicht. So gelangt dieser Autor unter anderem in der Nummer 8302 vom 7. Oktober 1887 zu der erweiterten, fast gänzlich umgebauten Teinfaltstraße, verweilt der Reihe nach bei den Neuschöpfungen derselben, auf deren linker Seite, die teilweise und auch gegenüber dem Bodenkredit-Anstalt Palais im ausgewachsensten Rokokostil gehalten sind. Und da heißt es nun:

Wenn wir uns nun wenden – welch‘ grundverschiedenen Eindruck bietet uns der Palast der Bodenkredit-Anstalt dar! Eben noch befanden wir uns in der·Epoche der·Régence oder etwa der sächsischen Auguste, jetzt glauben wir bei den ersten Mediceern im 15. Jahrhundert, bei Cosimo dem Alten und Lorenzo Magnifico stilistisch zu Gaste zu sein. Dass doch in derselben Straße der früheste florentinische Anfang und der späteste französische Ausgang der Renaissance einander gegenüberstehen müssen: der ernste Lapidarstil hüben, worin die erneuerte Baukunst zuerst ihre Absichten wortkarg, aber wuchtig-gemessen aussprach - und der leichtfertige Schnörkelstil drüben, in welchem sie weiterhin parlierte und schwatzte und in immer übermütigerer Formenplauderei zu schwatzen fortfuhr, bis ihr endlich Rede und Ausdruck gänzlich versagten und von all' der überbeweglichen Minauderie und Gesichterschneiderei nur die letzte Erstarrung des Stiles, das. Hippokratische Gesicht übrig blieb. Buchstäblich gilt von den strengen Rustika-Fassaden des florentinischen und sienesischen Palastbaues der Frührenaissance das Wort: »Saxa loquuntur! « Hier redet der Stein als solcher, und nur ausschließlich der Stein: in breitester Bossierung, in rauester Derbheit, geradezu zyklopisch. Aber welche Skala, welche allmählich sich regelnde Rhythmik in dieser Sprache der Quader! Von der übergewaltigen Felsen-Rustika des »Palazzo Pitti« bis zu dem geglätteten und geschmeidigsten Quaderwerke des »Palazzo Gondi« steht dieser Prozess urkundlich in einer Reihe von bedeutenden Bauten vor uns da.

Doch dies sind eben nur kunstgeschichtliche Rückblicke. Bei der zweiten, genaueren Betrachtung der Haupt-Fassade jenes Geldinstitutes bemerken wir bald, wir hätten nur ein sehr beiläufiges architektonisches Zitat aus der alten Mediceerzeit vor uns - und die Teinfaltstraße sei doch eine ganz andere Straße, als in Florenz die Via Tornabuoni mit dem majestätischen Palazzo Strozzi darin. Das ist nämlich der Originalbau für diese Nachstudie. Der Architekt Emil Ritter v. Förster – der mit äußerst gewandter an Empfindung so mancherlei Stilformen durchprobiert hat - wollte es hier einmal mit der altflorentinischen Bauspezies versuchen, damit dieselbe in dem bunten stilistischen Repertoire der neuen Wiener Architektur gleichfalls vertreten sei. Er hat sie ungefähr so für den modernen Bauzweck und Geschmack zurechtgestellt, wie etwa Dingelstedt vordem ein oder das andere Königsdrama Shakespeares für das Burgtheater mit Zutaten, Abglättungen und »Verschönerungen« bühnenmassig inszenierte.

Benedetto da Majano, der Baumeister des »Palazzo Strozzi«, hat einen Kanon der Rustika-Fassade gefunden, welcher für diesen Typus vollen klassischen Wert ansprechen darf. Die eigentümliche Ausdruckskraft seiner Rustik liegt in der energischen Schwellung der an ihrer Oberfläche gekörnten Steinpolster gegen die Mitte hinan und in ihrer scharfen Abschrägung gegen, die Seitenfugen hin. Diese ganze Quadertextur ist mit bewunderungswürdiger rhythmischer Empfindung - bei mäßiger Abstufung der einzelnen Stockwerke - hingelagert und emporgeführt (siebzehn Steinschichten für das Erdgeschoss, sechzehn für das erste, vierzehn für das zweite Geschoss). Die schneidigen Profile der Stockwerkgesimse ziehen durch jene Gesamtmasse hindurch wie scharfe, mehrfach gestrichene Linien; unmittelbar auf den Gesimsgurten stehen in gleichen Abständen die in Rustika eingefassten, geteilten Rundbogenfenster mit den schlanken, zierlichen Mittelsäulen. Alles, was das strenge toskanische Bauprinzip an Zierde zugesteht, sammelt sich um diese von den Steinrahmen umschlossenen Fensterbildungen. Ganz oben schneidet ein kräftiger Rundstab die Quaderschichten ab; darüber hebt ein hoher Fries das herrlichste, imponierend ausladende Kranzgesims empor, mit welchem Simone Cronaca den Palast bekrönte. Von einem Vor- und Zurücktreten der Front nach der Mitte und den Seiten hin hätte weder hier noch beim »Palazzo Riccardi« und ähnlichen Bauten der ganzen Gruppe je die Rede sein können. Dies Steinsystem lässt sich nicht brechen und in kleine Ecken umbiegen; bei keiner Bauweise ist die absolut einheitliche Anordnung so obligatorisch und unabweisbar wie hier. Seit dem dorischen Tempel hat die Architektur keinen solchen Bautyp erzeugt, an dem sich durchaus nicht rücken lässt, als eben den florentinisch-sienesischen Quattrocento-Palast.

Was soll aber der moderne Architekt beginnen, wenn er sich dennoch an diesen angeblich ganz intransigenten Typus heranwagt? Wie mag er mit dem ungeheuren, bossierten Baukubus sich abfinden? Emil Ritter v. Förster hatte gleich ein ganzes System von Aushilfen in Bereitschaft, das er mit viel Klugheit und Scharfsinn in Anwendung zu bringen wusste. Vor allem substituierte er für das mächtige Quaderwerk des Vorbildes eine bequemere, mehr konventionelle Bossage, wie man sie wiederholt (wenn auch nicht durch alle Stockwerke emporgeführt) an neueren Wiener Bauten vorfindet. Diese Rustik mit den gleichartig fortlaufenden rauen Flächen, am Spiegelrand scharf und geradlinig abgeschnitten, an den Fugen statt des einfachen Randschlages mit Profilierungen, wie sie erst später in Gebrauch kamen - ist zwar nicht sonderlich charakteristisch, aber sie gestattet eine Gliederung der Baumasse mit Eckbildungen und mäßigen Mauervorsprüngen: und ohne eine solche kann ja der moderne Architekt vor lauter Furcht, monoton zu werden, gar nicht mehr auskommen. So führte denn Förster an den drei Fassaden dieses florentinisch-wienerischen Steinpalastes überall eine Fünftheilung durch mit vortretenden Mittelpartien und Ecken und rückgeschobenen Zwischenteilen. Nun konnte er dem Triebe der Abwechslung nach Herzenslust folgen und an's Gruppieren gehen, obgleich dem florentinischen Bauprinzip von Haus aus die Gruppierung unbedingt fremd ist; ja noch mehr - nachdem er einmal jenem starrtrotzigen Einheitsbau das Mannigfaltige mit einer gewissen Schlauheit abgewonnen hatte, durfte er sich das Extra-Vergnügen gestatten, sogar in den einzelnen Fassaden zu variieren und so seinem Bau drei verschiedene Gesichter nach den verschiedenen Straßenseiten zu geben. Die bedeutendste Front von wirklich imposanter, ruhig ernster Schönheit ist die gegen die Teinfaltstraße hin. Die drei hohen Torbogen in der Mitte sind eine Reminiszenz an den »Palazzo Riccardi«. und repräsentieren ebenso vornehm wie effektvoll die Portalpartie. Die Fenster im Erdgeschosse entsprechen eigentlich denjenigen, welche weit später Michel-Angelo in die vermauerten Portones jenes Palastes eingefügt hat; aber sie sind hier - wenn wir so sagen dürfen - mit gutem Sinne zurück stilisiert und bilden zusammen ein vortreffliches Parterre. Auf das Podium in Form der vortretenden Bank, welches wesentlich zum Stilcharakter dieses Typus gehört, hat wohl der Architekt wegen der Straßenverhältnisse und der Bedingungen des Kellergeschosses verzichten müssen. Die oberen Reihen der geteilten Bogenfenster im 1. und 2. Stockwerke sind, getreu florentinisch, in gleichem Abstand gestellt, nur die Eckfenster weiter hinweggerückt; weil aber unser Meister einmal den Wechsel in der Anordnung liebt, so stellte er seine Fenster im 1. Stockwerke auf Brüstungen, im 2. (wie es stilgemäß ist) unmittelbar auf die Gesimsgurte. Jene Brüstungen im Hauptgeschoss sind noch überdies durch reizend gezeichnete Rosetten, mit Löwenköpfen alternierend, nachdrücklichste markiert. Allerdings ist diese Abweichung von dem vorbildlichen Typus auch wieder wohlbedacht; das Gesims der Fensterparapete setzt sich längs der Wand fort und entspricht der ausladenden Linie der Balkonlehnen. Die Rhythmik der Steine und Fugen im 1. und 2. Geschoss ist mit feinem Verständnis geregelt; die Bogenrustika über den Fenstern setzt schneidig an und tangiert in leiser Mahnung an die mittelalterlichen Spitzbogen die oberen Horizontalschichten. Das Detail der florentinischen Frührenaissance finden wir überall mit sichtlicher Liebe studiert und wohl angewendet; so zunächst die delikate Kapitälbildung der Mittelsäulen der Fenster, auch die zierlichen Etagengesimse, die nur mit ihren Konsölchen und Zahnschnittlein etwas unkräftig ausgefallen sind. Das oberste Geschoss mit den ausdruckslosen, ärmlichen Bogenfensterchen ist die schwächste Partie des Ganzen. Und warum? Hier fehlte eben gänzlich das Vorbild, da keiner der Paläste des toskanischen Quaderstiles ein 3. Stockwerk aufweist. Mit Geschmack und Bedeutung ist dagegen das Kranzgesims behandelt; es bekrönt den Bau, wie es soll.

Wenn wir schon unserem Architekten die Freude an Variationen selbst in einem Bautyps, der nicht variabel ist, die Lust am Formenspiel in einem Stil, der nicht spielt und durchaus ernsthaft ist, ohne weitere kritische Einrede zugestehen wollen, dann findet sich an seinem Bauwerk so manche Einzelheit, die uns überrascht und interessiert. An trefflichen Einfällen, an sinnreichen Kombinationen fehlt es da keineswegs. Wie bereits erwähnt wurde, gruppiert Förster jede der Fassaden anders; so verbreitert er in der Schreyvogelgasse die Mittelpartie, setzt fünf geteilte Bogenfenster über den Balkon und vereinigt in den schmäleren Seitenteilen wieder drei einfache Bogenfenster in eine Gruppe. Im Erdgeschosse. gibt er ihnen eine rustizierte Einfassung, für das 1. und 2. Stockwerk dagegen ersinnt er ein sehr pikantes Motiv: er stellt breite, reich ornamentierte Pfeiler dazwischen und überspannt die ganze Fenstergruppe mit übergreifenden, sich kreuzenden Bogenkeilen. In der schlichter gehaltenen Fassade der Oppolzergasse mischt Förster das Kartenspiel seiner Fenster-Kombination noch einmal und stellt da jene Drei-Fenster-Gruppe, die ihm lieb geworden zu sein scheint, gerade in die Mitte hinein. Eine nähere Beachtung verdienen schließlich die Balkone. Drei waren entschieden nötig: je einer für die Mittelfront der beiden Hauptfassaden, der dritte für das abgeschrägte Eck zwischen denselben; der vierte Balkon jenseits an dem Eckvorsprunge der Oppolzergasse ist eine Zugabe, aber wohl nicht völlig entbehrlich wegen des architektonischen Gleichgewichtes. Doch woher das Motiv entnehmen? Der toskanische Palast des 15. Jahrhunderts kennt ja noch keinen Balkon! Der Architekt wusste sich damit Geist und Geschick zu helfen. Hat nicht Benedetto da Majano, der große Meister des »Palazzo Strozzi«, auch das Wunderwerk der an dem Kirchenpfeiler schwebenden Kanzel in Santa Croce über den herrlichsten Konsolen aufgebaut? Kann man die letzteren in passender Modifikation und Vergrößerung nicht allenfalls auch als Balkonkonsolen benützen? Und gehören ferner die Zwergsäulen-Galerien über den Geschossen des »Palazzo Pitti« nicht ebenso in das Stilprogramm jener Epoche? Lassen sich da nicht solche Säulchen-Balustraden mit jenen Konsolen auch zu einer Balkonbildung glücklich kombinieren? Dies erwog denn unser Architekt, gewann auf diese Weise ein interessantes Balkonmotiv und blieb damit obendrein im Stil.

Gar trefflich steht dieser massive Steinpalast in der reichen Garnitur des Eisenschmuckes seiner Portale und Parterrefenster da. Die charakteristischen Ecklaternen der toskanischen Paläste sind hier in Reih und Glied in der Mittelfront zwischen die Rustikabogen der Tore gestellt. Es sind tüchtige Abkömmlinge des monumentalen Laternentypus jenes genialen Schmiedes und Eisenkünstlers Niccolò Grosso, genannt Caparra, dessen Erzeugnisse die Mediceer für köstlich genug erachteten, um sie selbst nach auswärts als Ehrengeschenke zu versenden. Schon seit längerer Zeit nimmt der Kunstfreund mit Befriedigung wahr, wie bei uns die Schmiedekunst ihrer Stilgesetze immer sicherer inne wird und das Eisen, gleich wie in guten, schöpferisch reichen Kunstzeiten von ehemals, wieder in edlen Formen zu treiben, zu knospen und zu blühen beginnt. Die füllhornartige Konsolenbildung der Laternen an der Bodenkredit-Anstalt trägt so recht den Charakter der·strammen eisernen Zierlichkeit; wir hoffen, dass dieselben auch symbolisch - als Lichtträger - in unser Kunstgewerbe, zu weiterer Nacheiferung anregend, hineinleuchten mögen. (6)