Briefkopf - ALBERT MILDE k. k. Hof-Kunst-Bauschlosser und Eisenkonstrukteur zu Wien; von 7.2.1839 bis 8.11.1904

Otto Wagners Hofpavillon in Hietzing,
1130 Wien, Schönbrunner Schloßstraße

Eisenkonstruktionen, 1898/99

k. k. Albert Milde

Hauptfassade des Hofpavillons, 2010

Bild 1: Hauptfassade des Hofpavillons (1)

 

Kuppelraum des Wartesaloons

Bild 2: Kuppelraum des Wartesalons (2)

 

Archivbild: Hauptfassade des Hofpavillons

Archivbild 3: Hauptfassade des Hofpavillons (3)

 

Archivbild: Zufahrt des Hofpavillons auf der Schönbrunner Schloßstraße

Archivbild 4: Zufahrt des Hofpavillons auf der Schönbrunner Schloßstraße (4)

Der Hofpavillon der Wiener Stadtbahn
Auf seinem Zuge aus dem Herzen der Stadt nach dem waldigen Wiental führt einer der neu eröffneten Arme der Wiener Stadtbahn an dem alten kaiserlichen Lustschlosse Schönbrunn vorbei. Hier pflegt der Kaiser von Österreich einen großen Teil des Frühjahrs und des Herbstes zu verbringen. Deshalb und da auch gekrönte Häupter, die in Wien zu Gaste weilen, mitunter hier wohnen, ergab sich die Notwendigkeit, nächst Hietzing eine Hofhaltestelle der Stadtbahn zum Gebrauche des Monarchen und seiner hohen Gäste zu schaffen.

Man durfte gespannt sein, wie die neue Kunst unserer Tage – man hat sich gewöhnt, sie kurz die „Moderne“ zu nennen – welche so tief in die Gestaltung unserer Wohn- und Arbeitsräume eingegriffen hat und die ganzen Bauten der Stadtbahn beherrscht, sich gegenüber der Aufgabe, die ihr hier zum erstenmal gestellt wurde: die Umgebung für ein gekröntes Haupt zu schaffen, verhalten werde. Sagen wir es gleich: das Ergebnis ist ein glänzendes, die Moderne hat auf einem ihr bisher fremden Gebiete einen herrlichen und man darf wohl hoffen, folgenschweren Sieg errungen. Allerdings wurde sie zu diesem Sieg geführt durch einen ihrer größten Feldherren, durch den künstlerischen Schöpfer der gesamten Stadtbahnbauten, den k. k. Oberbaurat Professor Otto Wagner. Wie wir durch ihn erfahren, haben ihm diesmal folgende Künstler seines Ateliers zur Seite gestanden: Carl Adalbert Fischl, J. M. Olbrich und Leopold Bauer.

Die Situation für den Hofpavillon war dem Künstler als feststehend gegeben. Da die Bahn hier als Tiefbahn führt, steht der Pavillon über dem Bahneinschnitte.

Das Herz des Baues in dem kaiserlichen Wartesalon. Er hat einen achteckigen Grundriss und wird von einer kupfergetriebenen Kuppel bekrönt. Es ist bemerkenswert, wie dieser, aus dem Zentrum des Gebäudes aufsteigend und dasselbe dominierend, einen wohltuenden Zusammenhang mit den barocken Baulichkeiten des Schönbrunner Schlosses herstellt, natürlich ohne auch nur eine Barockform zu kopieren.

Dem Ganzen, aus Eisen, Stein und Putz aufgeführten Gebäude ist eine bequeme Auffahrtsrampe vorgelagert. Sie trägt schmiedeeiserne Kandelaber für Bogenlampen, an welchen die konstruktiv bedingten Formen in ebenso einfacher wie edler Weise zum Kunstgebilde ausgestaltet sind. Die gilt auch von den schmiedeeisernen Geländern und der verglasten eisernen Überdachung des mittleren Rampenteiles.

Durch einen Vorraum, welcher über dem diesseitigen Peron gelegen ist, betritt man den achteckigen kaiserlichen Wartesalon, dessen Tiefe der Entfernung entspricht, welche die beiden Stützmauern des Bahneinschnittes voneinander trennt. Vom Vorraume links nimmt die kaiserliche Suite den Weg um das Oktogon herum zu ihrem, über dem jenseitigen Person gelegenen Warteraum durch einen loggiaartigen Korridor, von welchem aus auch die Abgänge zu den beiden Perons erfolgen.

Ziehen wir zunächst das Oktagon, den Warteraum des Kaisers, in Betracht.

Wenn die Kunstforschung späterer Zeiten davon sprechen wird, wie die Kunst unserer Zeit daran gesundete, dass sie sich wieder von dem Zweck ihres Werkes leiten ließ, dann wird dieser Raum wohl oft als typisches Schulbeispiel angeführt werden; angeführt; denn er ist in genialer Konsequenz bis zur kleinen Einzelheit hinab nichts anderes als der Natur mit intimen Verständnis abgelauschte und Form gewordene Gehaben seines Bewohners.

Da steht z. B. dem Eingang gegenüber, mit einer originellen Decke behangen ein Tisch, nicht im Mittelpunkt des Raumes, sondern mehr gegen die Rückwand geschoben. Wer je Gelegenheit hatte, das Gehaben des Monarchen beim Betreten eines solchen Zwecken dienenden Raumes zu beobachten, kann sich nun sofort lebhaft vorstellen, wie er mit seinen raschen, elastischen Schritten den Raum durchmisst, bei dem Tischchen halt macht und jetzt, die Finger der rechten Hand leicht darauf gestützt, die Linke am Säbelgefäß, die Meldung erwartet, dass alles zur Abfahrt bereit sei. Diese Sekunden des Wartens dem Monarchen durch den Anblick eines Kunstwerkes zu kürzen, lag nahe. Echt modern aber war es von Wagner, zu diesem Zwecke in die Rückwand des Salons nicht etwa eine frostige gemalte Apotheose oder dergleichen einzufügen, sondern mit dem Kunstwerk zugleich einen Überblick über den ganzen Stadtbahnbau, jenes große Werk der Technik, das zu benützen der hohe Fahrgast soeben im Begriffe steht, zu verbinden. So ließ er denn von Carl Moll einen Blick auf Wien aus der Ballonhöhe von 3000 m über der Schönbrunner Gloriette machen. Natürlich lässt sich bei dieser Annahme der ganze Zug der neuen Stadtbahnanlage verfolgen.

Eine unglaublich geniale Lösung im erwähnten Sinne hat der Knüpfteppich, der den ganzen Boden des Salons bedeckt, erfahren. Er ist nämlich tatsächlich dekoriert durch die Wege, welche der Kaiser von seinem Platze am Tischchen aus nach den verschiedenen Türen des Raumes hinnehmen kann. Strahlenförmig schießen von diesem Punkte die Leitlinien nach all den verschiedenen Seiten hin und lassen zwischen einander nur schmale Zwickel frei, welche durch ein aus Philodenronblättern gebildetes Ornament ausgefüllt werden.

Der Philodendron „Baumlieb" ist überhaupt das Grundmotiv für den ganzen ornamentalen Schmuck des Raumes, wohl eine Anspielung auf die bekannte Naturliebe und Waldessehnsucht des Herrschers. In mattem Rot breiten sich die Philodendronblätter in den schmalen Zwickelstreifen zwischen den heller gehaltenen Gehbahnen am Boden aus, in dunkelrotem Samt erscheinen sie an den Wänden, auf heller rotem, schmalgestreiften Seidenstoff appliziert, und schmücken sie die Rücklehnen der Sitzgelegenheiten, deren Sitze jedoch den glatten Stoff aufweisen. Das Rot des Bodenbelages zieht sich übrigens vom Eingange an durch alle Räume des Baues, die der Kaiser betritt, über die Stiegenabgänge hinab bis zum Waggon. Nirgends belästigt ein stärkerer Tonunterschied die Aufmerksamkeit des rasch Dahinschreitenden.

Dieses Rot des Bodens und das der Wände klingt zu einem prächtigen, wirklich kaiserlichen Akkord zusammen mit dem durch zarte, vergoldete Schnitzerei belebten Jungmahagoni der Täfelung, der zeltartigen Decke, des Mobiliars und der hohen Flügeltüren.

Von diesen führen zwei, in den Ecken angeordnete, zu den breiten Stiegenabgängen auf die beiden Abfahrtperrons für die beiden Richtungen der Bahn nach dem Praterstern und nach Hütteldorf. Eine dritte Ecktüre führt zur Toilette und die vierte Eckwand wird durch den Kamin eingenommen. Letzterer ist aus besonders schönen Stücken von Laaser Onyx gearbeitet und bei völligem Mangel jedes plastischen Schmuckes von einer, nur durch das edle Material erzeugten, großartigen Wirkung.

Von den beiden Wänden, welche auf die Eingangs- und die Bildwand normal stehen, wird die eine durch ein großes Fenster, die andere durch eine Glastür eingenommen, die zu einer geschlossenen Loggia führt. Vor der Loggia lässt sich auf einer Terrasse ein kleiner Garten arrangieren. Auch diese Loggia hat einen ernsten Zweck und ist weit entfernt bloß dekorative Absichten zu verfolgen. Oft kommt es nämlich vor, dass der Monarch in den letzten Minuten vor seiner Abfahrt noch ein Telegramm oder einen Befehl niederzuschreiben wünscht. Für solche Gelegenheiten nun ist in dieser Loggia ein Schreibtisch aufgestellt, welcher als Beleuchtungskörper genau eine ebensolche Lampe trägt, wie sie sich auf den Arbeitstischen des Monarchen in seinen jeweiligen Aufenthaltsorten vorfinden.

Die Beleuchtungskörper in diesem Bau wären überhaupt ein gesondert zu behandelndes Kapitel. Sie kommen als Stehlampen und als Deckenbeleuchtung im Salon, als Wandbeleuchtung in den Korridoren und auf den Stiegen, als freihängende Beleuchtungskörper in der Unterfahrt, als Bogenlichtkandelaber auf der Rampe vor und überall hat Wagner es verstanden, den mannigfachen Erfordernissen, die sich aus dem gewollten Beleuchtungseffekt, der Bedienung und Wartung des Körpers ergeben, mit geradezu verblüffender Einfachheit und Schönheit gerecht zu werden.

Ähnliches Hesse sich von den Plafondlösungen in den einzelnen Räumen sagen. Wo andere sich mit Gesimsen quälen, da steigen bei Wagner, wie in den Loggia z. B. einige schlanke Stucklinien aus der Wandfläche heraus, neigen sich, schließen sich an der Decke wieder zum strammen Bündel, tragen sie so und benehmen dem Raume alles Kasten- und Schachtelartige.

Oder in den Ecken der Korridore. Da ergeben sich durch die Achtecksform des Mittelraumes fünfeckige. Plafonds. Ein mehrfacher, in den Putz der weißen Decke hineingeschnittener Kreis mit ein paar schönempfundenen Linien darin, löst die Frage in ebenso einfacher als angenehmer Weise.

Und wie heiter weiß Wagner die Spiegelscheiben seiner Fenster zu beleben. Die Mattierung des unteren Teiles entwickelt sich im oberen zum schmalen Rahmen. In ihr sitzt ein goldenes Linienornament, begleitet von einer Mattierung stärkeren Grades, die mit reizvoller Weichheit vom Golde zum Glas hinüberleitet.

An Einfachheit der Lösung ist auch die Abgrenzung des für den Kaiser und seine Gäste bestimmten Teiles des Perrons ein Unikum, indem der abgesperrte Teil durch ein rotsamtenes Velum, welches verschiebbar ist, grösser oder kleiner gemacht werden kann, je nachdem der Empfang mit oder ohne Ehrenkompagnie stattfindet.

Betritt man aber den, hinter dem kaiserlichen Salon gelegenen Warteraum der Suite, da lernt man erst recht das künstlerische Feingefühl Wagners bewundern, dem es gelungen ist, die beiden Räume in ihrer Wirkung so fein und treffend zu differenzieren. Wie bescheiden wirkt das zarte Grün und Silber dieses Raumes gegen das volle prächtige Rot des kaiserlichen Salons! Wie glücklich sind die Stühle dimensioniert, für kurzes Verweilen zwar bequeme Rast aber auch die Möglichkeit raschesten Erhebens gewährend. Sieht man wie alles das durchdacht, mit welchem immensen Aufwand von Geist und welcher ungeheuren Erfahrung das alles gemacht ist, dann glaubt man gerne, dass der hohe Herr, für dessen Gebrauch das Gebäude bestimmt ist, sich darüber außerordentlich lobend geäußert habe, zumal da es nicht notwendig war, ausländische Kräfte heranzuziehen, sondern Material wie Arbeit durchweg dem Inlande entstammen.

Und die Arbeit ist von einer Exaktheit, die nichts zu wünschen übrig lässt. Sie ist ein schönes Zeugnis dafür, was unsere einheimischen Kräfte unter der richtigen Leitung leisten können.

Das ist es ja, was den Werken Wagners, abgesehen von aller ihrer sonstigen Bedeutung, einen besonderen Retz verleiht, dass sie das Gefühl absoluter Erledigtheit vermitteln, weil er die Konstruktion nicht vertuscht, sondern ausbildet, weil er von dem Materiale nie eine Wirkung verlangt, die demselben nicht innewohnt, ihm nie eine Funktion zumutet, die es nicht erfüllen kann. Deshalb und weil er ein Organisator allerersten Ranges ist, erreicht er seine Absicht immer bis zur allerletzten Vollendung. Er ist der hohe Kulturmensch, der jedes Bedürfnis des modernen Lebens fühlend erfasst, und der souveräne Künstler, der für jedes Gefühl eine sichtbare Form findet; die den Nagel auf den Kopf trifft. Deshalb sind auch seine Werke europäische Taten. Und diese künstlerische Persönlichkeit wird seit Jahren bei uns in der schärfsten Weise bekämpft und befehdet. Es ist ein Glück für unsere Kunst, dass Wagner neben allen seinen künstlerischen Gaben auch die schöne menschliche Eigenschaft unverwüstlicher Jugendfrische besitzt. Das Wort „eternamente giovine", wenn es nicht schon bestünde, für Wagner müsste es erfunden werden.

Der kleine Hofpavillon in Hietzing wird der Nachwelt über unsere Zeit mehr erzählen, als mancher traurige Monumentalbau, den wir erstehen sehen mussten. Er bedeutet einen Triumph der modernen Kunstprinzipien und einen Triumph für den künstlerischen Schöpfer der Stadtbahn, dessen gigantisches Vorwärtsschreiten auf der betretenen Bahn seine Zeit mit Freude und Stolz erfüllen muss. (5)

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Baugeschichte
Der Hofpavillon liegt im Bereich der sogenannten „Oberen Wientallinie“, die als Teilstrecke der Wiener Stadtbahn 1895 bis 1898 (heute U4) errichte wurde. Der erste Entwurf Otto Wagners für den Pavillon des k. u. k. Allerhöchsten Hofes stammt aus dem Jahr 1896 und zeigt bereits das später ausgeführte Konzept. Die Detailplanung des Bauwerkes verzögerte sich jedoch aufgrund von Änderungen in der Ausgestaltung: Die endgültigen Pläne lagen erst im April 1898 vor. Eine Vorgenehmigung wurde am 24. Mai erteilt, die definitive Bauverhandlung erfolgte am 20. Juli, also lange nach der am 1. Juni 1898 durchgeführten Eröffnung der „Oberen Wientallinie“. Im September begann man mit den Bauarbeiten und führte noch im gleichen Jahr den Rohbau inklusive Eindeckung und Stiegenabgänge zu Ende. Am 16. Juni 1899 besichtigte Kaiser Kranz Joseph den bereits fertiggestellten Hofpavillon.

Baubeschreibung
Der Hofpavillon befindet sich in unmittelbarer Nähe des Schlosses Schönbrunn über der Trasse der U-Bahn, die sich an dieser Stelle in Tieflage befindet. Vom Perron der Stadtbahn „Hietzing“ führte ursprünglich beiderseits Geradelinge Stiegenaufgänge in das Hauptgeschoss, das heute nur mehr über die geschwungene Rampe, unter einem eisernen Vordach hindurch, von der Straße her betreten ist.
Das architektonische Konzept ist einfach und überzeugend, das Motiv des Kaiserzelts unübersehbar: Das Gebäude bildet einen im Grundriss quadratischen Block von 15,80 m Seitenlänge, der von Flachdächern überdeckt ist. In seinem Zentrum erhebt sich ein höherer achteckiger Baukörper, mit hochovalen Fenstern, der den Wartesaal umschließt und von einer Kuppel abgeschlossen wird. Der hohe Kuppelbau ist weitgehend Schauarchitektur; vom Dachstuhl ist, der mehr als 5 m Tief ist, eine zweite flache Kuppel abgehängt, welche die Raumdecke bildet.
Der Hofpavillon ist aus bautechnischer Sicht ein herkömmlicher Ziegelbau mit Putzfassaden. Die Überbauung der 8,10 m breiten U-Bahn-Trasse erfolgte mit genieteten Blechträgern, über welche, senkrecht zu ihrer Spannweite, eine Platzdecke mit Ziegelkappen zwischen Eisenträgern verlegt wurde. Alle Dachstühle sind aus Holz, die Kuppeln deckte man mit Kupferblech ein, über den Flachdächern ursprünglich die damals üblichen Holzzementkonstruktionen.
Im Prinzip hat sich das Gebäude unverändert bis heute erhalten, nur die beiden Perronabgänge wurden im Zusammenhang mit der Besitzübernahme durch die Gemeinde Wien und der Elektrifizierung der Stadtbahn 1925 abgebrochen. Nach dem Zweiten Weltkrieg wohnte ein Bildhauer mit dessen Familie in dem Gebäude, heute ist ein Museum eingerichtet. (6)

 

Von den ausführenden Firmen seien genannt:
Architekt Otto Wagner
Baumeister Doderer & Göhl
Stahlbetonarbeiten Carl Habenicht
Verputz und Stuckaturen W. Kazda
Bildhauer Dworschak und Mitterreiter
Eisenkonstruktionen Albert Milde & Co
Kunstschlosser Kammerer & Filzamer
Tischler Karl Rogenhofer
Zimmermann Johann Machhörndl
Deckung der Kuppel W. Burkhart
Anstreicher, Maler und Vergolder Adolf Falkenstein
Marmorkamin R. Massini
Granitfußboden Johann Odarika
Steinmetz Firma Josef Widy aus Schrems