Man kann den Satz nicht oft genug wiederholen: Große Kunstschlosser und Kunstgewerbe sind in einer Hand gegangen und der Ehrgeiz der Meister des Gewerbes war es von jeher, die Entwürfe, welche ihnen von den großen Künstlern ihrer Zeit an die Hand gegeben wurden, möglichst im Sinne und zur Zufriedenheit derselben durchzuführen, das ist so sehr wahr, dass man nahezu behaupten möchte, die Geschichte der fortschreitenden Entwicklung des Kunstgewerbes sei zugleich die Geschichte des Zusammenhanges zwischen Kunst und Kunstgewerbe. Das ist immer so gewesen und ist heute noch so, nachdem die Bemühungen, die Kunstindustrie einer isolierten Entwicklung durch Kunstgewerbeschulen und Museen zuzuführen, mehr oder weniger misslungen sind. Je allgemeiner diese Erkenntnis wird umso rascher und umso gesünder wird sich im Sinne der Kunstbewegung unserer Tage auch unser Kunstgewerbe entwickeln. Das war so von Brunnelesko bis zu Martinelli, von Rafael bis zu Boucher. Wie in Italien und in Frankreich war es auch in Deutschland wie die Geschichte der deutschen Renaissance überzeugend darlegt und zwar überall ganz ebenmäßig auf allen Gebieten der Kunstindustrie, und der Geschmack des Tischlers wie jener des Keramikers wurde von jedem des Architekten kommandiert.
Das dies auch in Wien auf dem Gebiete der Kunstschlosserei jener Zeit, da die Baukunst hier blühte, vollständig der Fall gewesen, davon kann sich Jedermann auf das Erfreulichste überzeugen, welcher den Schöpfungen der Kunstschlosserei an unseren Prachtbauten aus den Tagen des Kaisers Carl VI. und der Maria Theresia auch nur einige flüchtige Aufmerksamkeit widmet. Ein Gang durch das Belvedere oder durch das Lichtensteinpalais in der Rossau, u. s. w. genügt um einerseits jedem Unbefangenen über die hohe Stufe aufzuklären, welche die Kunstschlosserei in Wien zu den Tagen des Fischer von Erlach, des Hildebrand und des Martinelli erreicht hatte und um andererseits darzulegen, wie auch damals die Kunstschlosserei ihren Stolz darin setzte, ganz im Sinne der genannten berühmten Künstler zu arbeiten. An Gittern, Portalen, Fensterkörben, Kandelabern u. s. w. ist so viel Mustergültiges aus jener Zeit an unseren Palästen und in den Schlössern Österreichs erhalten geblieben, so dass wir es nur lobenswert finden, wenn junge, rührige Verleger daran gehen, diese Monumente aus guter alter Zeit von kunstgeübter Hand festhalten zu lassen und der heutigen Kunstindustrie als Muster- und Vorlegeblätter zuzuführen.
Wie aber die Geschichte der Kunstschlosserei zur Barockzeit mit jener der Architektur innig Hand in Hand geht, so auch die Geschichte der gedeihlichen Entwicklung unserer Kunstschlosserei mit jener unsere Architektur. Es gab von van der Nüll und Siccadsburg bis zu Franz Neumann, Otto Wagner, Fellner u. s. w. keinen irgend wie namhaften Architekten in Wien, welcher nicht für unsere Kunstschlosser gearbeitet hätte; ebenso Hansen wie Hasenauer, ebenso Ferstl wie Schmidt, und zwar haben bei diesem Vorgang sowohl die Kunsthandwerker gearbeitet als auch die Künstler gelernt. Die erstgenannten, indem sie durch Übung in allen Stilformen gerecht wurden, da sie eben sowohl Aufgaben in griechischer als in italienischer und deutscher Renaissance, im gotischen und im romanischen Stile zu lösen hatten; die letztgenannten, da sie immer mehr über die Schranken, welche die Eigenart des Materials der Erfindung der Entwürfe zog, in das Reine kamen.
Am Treffendsten wurde dies gegenseitig fördernde Verhältnis zwischen Architektur und Kunstschlosserei den Kunstfreunden durch eine sehr sorgfältig und verständnisvoll vor zwei Jahren in Szene gesetzte Ausstellung der heutigen Kunstschlosserei vor Augen geführt und zugleich der Beweis geliefert, dass ohne die Durchführung unserer Monumentalbauten unser Kunstgewerbe und speziell unsere Kunstschlosserei noch in dem primitiven Zustande sein würde, in welchem sie zu den tristen Zeiten Kaiser Franz I. vegetierte. Bei jedem Schritt, den man an die Muster, an das Parlament, an die Votivkirche, an das Burgtheater, an die Universität, an den Justizpalast u. s. w. unsere hervorragendsten Baukünstler erinnert, die mit eben der Hingabe und demselben Talent eine Laterne oder einen Kandelaber zeichneten, mit denen sie eine Fassade entwerfen. An den Monumentalbauten nahmen sich die Privaten ein Muster und ihre Architekten sorgten dafür, dass an ihren Stadthäusern und an ihren Villen die Kunstschlosser reichlich Beschäftigung fanden. Wenn die Namen Milde, Gillar und Biró mit unseren Monumentalbauten verknüpft sind, so müssen sie auch bei einer Reihe von Privatbauten genannt werden, wie sich wiederholt bei den Kunstgewerbeausstellungen der letzten Jahre gezeigt hat. Neuestens haben sich einzelne Architekten ausschließlich den Arbeiten für das Kunstgewerbe und namentlich der Kunstschlosserei zugewendet und wir halten dies für einen bezeichneten Fortschritt. Und neben den alten berühmten Firmen treten immer wieder neue auf, wie z. B. Toman und Schwarz und nicht bloß Baukunstschlosser leisten sie Vorzügliches, sondern sie überraschen auch durch die stilvolle Zierlichkeit und Gefallsamkeit, welche sie den kleinen Gegenständen des täglichen Gebrauches, wie Lustern, Girandolen u. s. w. zu geben pflegen und wohl auch durch die niederen Preise, welche sie für derlei „bijoux“ begehren; wir begnügen uns dies falls beispielsweise darauf hinzudeuten, dass ein Paar sehr schöne eiserne Leuchter, welche in der Ausstellung des Kunstgewerbevereins zu sehen sind, nur 20 fl. Kosten.
Wie trefflich die jüngsten Kunstschlosser verstehen, in die Intentionen der Architekten einzugehen, kann Jedermann sehen, der sich die prachtvollen Gitter am Palais Springer in der Schwindgasse von Baierlein, nach Zeichnungen der Architekten Fellner & Helmer ansieht.