Techniken des Metallkunsthandwerks im Historismus
von Ursula Mayerhofer
Anhand von Objekten der Metallsammlung des österreichischen Museums für angewandte Kunst
Ohne das persönliche Engagement Rudolphs von Eitelberger (Abb. 1) wäre die Gründung des Österreichischen Museums für Kunst und Industrie (des heutigen Österreichischen Museums für angewandte Kunst) nicht möglich gewesen. Angeregt durch das in London bereits bestehende Victoria and Albert Museum, aber vor allem durch die Weltausstellungen von London und Paris, konnte er besonders Erzherzog Rainer für die Verwirklichung seiner Ideen gewinnen.
Die Bemühungen der kunstgewerblich orientierten Interessenten sollten durch diese Institution eine Geschmacksverbesserung bei Herstellern und Käufern bewirken.
Was Eltelberger bezweckte, war eine Reorganisation des Kunstgewerbes und der Kunsterziehung. Mustersammlungen sollten den angehenden Künstler zu Überlegungen führen, vorhergehenden Stilrichtungen Gleichwertiges - besonders auch in Bezug auf Technik und Qualität - gegenüberzustellen.
Dieser Schritt war schon in England und Frankreich erfolgt, so dass zu sehen war, dass Österreich und Deutschland in der Entwicklung zurückstanden. So wurde auch der nationale Eifer, mit dem Westen mithalten zu wollen, in den Vordergrund gestellt. Man wollte an die großen Leistungen vergangener Epochen anschließen und versuchte nun ihre Techniken zu studieren. Vorerst war aber das Kopieren der alten Ornamente die Zielsetzung. Dieser Stilpluralismus. der schon ab den 40er Jahren einsetzte und sich sehr lange hielt, war zwar bei den Käufern sehr geschätzt und beliebt, führte aber bald zu einer Kritik der Kunsttheoretiker und kulturell Engagierter. Dazu kam, dass durch die allgemeine Nachfrage der zahlenmäßig vergrößerten Käuferschicht die Produktion gesteigert werden musste. Das war nur durch die Vereinfachung der technischen Herstellung im Wege der Industrialisierung möglich. Das Stanzen und Pressen von Silber war seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bekannt, es verdrängte das vorher so zeitraubende Treiben. Durch das Ersparen eines Arbeitsprozesses konnte vieles verbilligt werden.
Das Plattieren war eine neue Möglichkeit der Vereinfachung in Bezug auf aufwendiges Material: dabei wurde auf eine achtmal so starke Kupferplatte eine dünne Silberschicht aufgelegt, die nun geglüht und auf gewalzt wurde. Mit Hilfe dieser Technik konnte die Belieferung der Bürger mit veredeltem Metall uneingeschränkt erfolgen, da die Preise dafür gering gehalten werden konnten.
Das dünne Silber nutzte sich an den Kanten oder Handhaben jedoch sehr leicht ab, so dass das darunterliegende Kupfer mit seiner roten Farbe sehr störend wirkte. Daher griff man ab 1825 zu einer Verbesserung, indem das rote Kupfer durch eine Weißmetalllegierung, bestehend aus Nickel, Kupfer und Zinn, ersetzt wurde.
Trotzdem der deutsche, in Petersburg arbeitende Physiker Jacobi, der Franzose Ruolz und die Engländer Spenzer und Jordans unabhängig voneinander Versuche begonnen hatten, erfolgte die Patentanmeldung, Versilberungen und Vergoldungen galvanisch durchzuführen, von der englischen Firma Elkington, so dass die Zeit des »plated silver« schon um 1880 abgelaufen war. Nun wurde dieses neue Verfahren industriell nutzbar gemacht. Dabei bediente man sich einer Entdeckung von Ales•sandro Volta (1799), dass metallsalzenthaltende Flüssigkeiten, wenn sie unter Strom gesetzt werden, Metall an einem der Pole abscheiden. Der Vorteil war es auch, dass die hier abgeriebenen Stellen nachversilbert werden konnten, was ja bei der plattierten Ware nicht mehr möglich war.
Die Galvanoplastiken entstehen im Prinzip aus einem ähnlichen Verfahren: hier können von Originalen abgenommene - bei Unterschneidungen auch mehrteilige - Matrizen, die durch Graphitstaub leitend gemacht worden sind, zur Entstehung einer genauen Kopie verwendet werden (Abb. 7 und 8).
Obwohl dies von vielen Theoretikern verworfen wurde, bediente man sich dessen ungeachtet sehr gerne dieses Verfahrens. Doch die kunstgewerblichen Arbeiten wurden durch die neuen Methoden nicht nur vereinfacht und verbilligt. Letztlich sank dadurch manchmal auch die Qualität, und der künstlerische Wert war gering. Waren viele Goldschmiedemeister durch die Konkurrenz der nach neuen Gewerbeordnungen möglichen Fabriksgründungen in Ihrer Existenz bedroht, so gab es doch noch immer kleine Betriebe, die durch ihre überragende Qualitätserzeugung weiter bestehen konnten, da die Anfertigung eines Unikats letztlich dem finanzkräftigen Kunden doch eine Qualitätsgarantie und Freude am Unikat verschaffte. Kam in England und Frankreich schon um die Jahrhundertwende ein gewisser Wohlstand auf, so war dies in Deutschland und Österreich erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts der Fall. Deshalb ist die Produktion von Silbergefäßen und Waren aus veredeltem Metall erst später im Westen zu bemerken. Die Industrialisierung war hier auch noch nicht in diesem Ausmaß vorhanden.
Schon Ferdinand Barbedienne begann in den 30er Jahren damit, Renaissancefiguren zu kopieren und in Kleinformate umzusetzen (Abb. 9). Dazu bediente er sich einer Art Storchenschnabel, der es ermöglichte, Verkleinerungen dreidimensionaler Gegenstände auszuführen. Diese relativ einfache Technik führte zu einer sich ausweitenden Produktion, die sich großer Beliebtheit erfreute. Dazu kann man erwähnen, dass die Reduzierung großer Skulpturen einen kunstgewerblichen Gegenstand mit Funktionswert ergeben konnte. (Putto mit Schale in der Funktion als Schmuckablage, Abb. 17.) Die vergoldeten Bronzearbeiten waren durch ihre bestechende Qualität ein Leistungsbeweis der Firma Barbedienne.
Ab 1867 zeigte dieses dann vergoldete Bronzegefäß mit Emaildekor in einer Ausstellung. Neben der Vielfalt an Formen war auch eine Freude an Mehrfarbigkeit zu beobachten. Für das Silber des 18. Jahrhunderts wurde Email hauptsächlich als einzelne Dekoration – etwa bei Messkelchen - verwendet, selten hatte das Email die Gesamtoberfläche gebildet.
Die Firma Barbedienne verwendete Email nach asiatischem Vorbild. Doch der chinesische Zellenschmelz und der im Mittelalter oft anzutreffende Grubenschmelz wurden wesentlich vereinfacht. In China und in Byzanz wurden früher beim Zellenschmelz Metallstege auf dem Grundmetall aufgelötet und die so entstehenden Kammern mit Email aufgefüllt. Beim alten Grubenschmelz wurden aus einem dickeren Metall Vertiefungen mit dem Stichel oder auch mit Hilfe eines Ätzverfahrens ausgehoben und gleichfalls mit Email gefüllt. Nun aber werden die aufgelöteten Drähte durch schon mit dem Trägermaterial mitgegessene Grate ersetzt: dadurch kann mit der Negativform eine beliebige Anzahl von Zellenemailarbeiten entstehen.
Ostasiatische Emailarbeiten wurden bei der Weltausstellung 1862 in London gezeigt. Sie waren Anlass für die Produktion gleichartiger Emails von Barbedienne. Die englische Firma Elkington hat1e ebenso fernöstliche und orientalische Einflüsse übernommen, sie arbeitete auch auf Silbergrund mit nachträglicher Vergoldung und leuchtenden Farben (Abb. 6 und 5).
Völlig verschieden davon sind die Arbeiten nach französischen Vorbildern von Emails aus dem 16. Jahrhundert (Abb. 4).
Die sogenannten Limousiner Maleremailarbeiten zeigen auf einem zunächst schwarzen Emailgrund mehrfache Auftragungen von Weiß und Grautönen mit sehr zarten Farbübergängen. Nur wenige inkarnatfarbige Flächen bereichern diese Grisaillemalerei. Die technisch sehr anspruchsvollen Arbeiten zeugen von einer Präzision, die erstaunlich ist. Eigentlich Ist diese Technik der Porzellanmanufaktur in Sevres zu verdanken, die ab 1836 damit experimentierte. 1845 wurde ein eigenes Atelier für Emails auf Eisen, Kupfer, Gold und Platin gegründet, das erst 1871 schloss. Hauptsächlich wurden dekorative Bildplatten, aber auch Fußschalen nach Motiven aus der Malerei der Renaissance angefertigt. In der Metallkunst finden sich wie in allen anderen Sparten des Kunstgewerbes oft auch gleichzeitig Motive und Formen verschiedenster Stilrichtungen vergangener Jahrhunderte an einem Objekt: Das beweist auch das Mittelmedaillon eines großen Zinntellers (Abb. 16), der als äußeren Rand eine Godronierung wie etwa um 1700 bis 1710 hat, dann nach innen zu eingerollte Bänder. die dem Beschlagwerk des ersten Drittels des 17. Jahrhunderts genauso nahestehen wie etwa auch abstrakten Palmetten, dann wieder eine Godronierung und letztlich als Mittelpunkt eine Dame in altdeutscher Tracht. Dieser Teller ist ein Untersatz für eine Kanne, die den Formen nach auch dem Manierismus entstammen könnte. Durch die Beschäftigung mit den alten Werken wurden aber auch längst vergessene Techniken wieder eingesetzt. So wurden häufig Nielloarbeiten geschaffen. Die Kombination von Emailschmuck, Steinschnitten und Korallen in Kontrast zu der Glätte des Edelmetalls (Abb. 2 und 3) war Jedoch etwas Neues, das kaum Vorbilder in vorhergehender Zeit hatte.
Man Integrierte letztlich auch das freie Kunstobjekt, das nun losgelöst von Funktion zu denken ist und durch besondere Schwierigkeiten in der Fertigung beeindrucken sollte. Diese Neigung, die Grenzen des technisch Möglichen zu erreichen, war nur durch die Einsetzung verschiedenster Meister, die an einem Stück arbeiteten, durchzuführen. Dadurch kam es zur Arbeitsteilung, die zunächst natürlich schon den Entwerfer von den ausführenden Meistern trennen konnte.
Dieser Arbeitsteilung steht die Forderung nach dem Kunsthandwerker- einem Begriff, der in jenem Zeitalter erst geprägt worden ist - entgegen, Entwurf und Ausführung sollte ein und derselbe vollbringen.
Die Überladung mit ikonographischen Inhalten allein, die für dieses Jahrhundert auch so typisch war, stellte aber an den Handwerker, so er nicht alte Vorlagen benutzte. Anforderungen, denen er nicht gewachsen sein konnte. Hier war die Ausbildung in den nun zahlreich entstehenden Zeichenschulen und Akademien ein nicht zu unterschätzender Vorteil, dem in kleinen Meisterbetrieben nichts Gleichwertiges entgegenzusetzen war. Dennoch war die Arbeitsteilung nicht zu umgehen. Sie führte dann bisweilen auch zu einer Qualitätssteigerung, da man sich nun der wenigen Spezialisten bedienen konnte und die vielfältige Anwendung von getrennten Techniken dies auch erforderlich machte. Bei der serienmäßigen Erzeugung, die dann infolge der großen Auflage weniger Arbeitsaufwand erforderte, ist das eher negativ zu sehen. Auch schon bei den chinesischen Emailgefäßen von Barbedienne, bei denen das Email nur mehr in die vorgegossenen Kammern zu füllen war, was natürlich auch ein ungeübter Arbeiter bewerkstelligen konnte, fehlt das Gefühl der »persönlichen Handschrift« des Künstlers, hinzu kommt auch für den Käufer das Wissen, dass dieser Gegenstand kein Unikat ist.
Nach der Aufhebung der traditionellen Zunftordnung war es auch Personen außerhalb der strengen Meisterordnungen gestattet, Firmen zu gründen. Die Anzahl der Meisterbetriebe war früher begrenzt gewesen und hatte eine Qualitätsauslese bewirkt. Nun entschied die Nacht rage der Käufer über die Produktion. Das erstarkende Bürgertum, das sich nun vom Gebrauch von Steingut und Zinn abwandte und sich Porzellan leisten konnte, hatte jetzt auch die plattierten Silberwaren, die erheblich billiger hergestellt werden konnten, in größeren Mengen erworben. Das führte auch zu Konkurrenzdenken unter den einzelnen Firmen. Dem Fortschritt der Technik wurde durch ständige Neuerungen der Vorfertigungsmaschinen Rechnung getragen. Durch die Rivalität der Firmen mussten auch die Preise gering gehalten werden, was die möglichsten Vereinfachungen und Rationalisierungen der Arbeitsprozesse notwendig machte. Die Reproduzierbarkeit war ja schon eine Folge dieser Überlegungen. Die großen Firmen trugen sicherlich zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen handwerklicher Betriebe bei. Von den Kunsttheoretikern - besonders in England - wurde jedoch wieder die qualitätvolle Einzelanfertigung gefordert, die Ziel der Kunstgewerbereform sein sollte. Man war sich bewusst, dass die Industrialisierung nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte und sollte, dieser Fortschritt der Technik sollte genutzt werden, aber eine letzte Nacharbeitung von Künstlerhand sollte dennoch stattfinden.
So war die Einzelleistung wieder gefragt. Es entwickelten sich aus dem alten Goldschmiedehandwerk zwei Strömungen - eine fabriksmäßige für die Gebrauchsgüter und eine handwerkliche gediegene künstlerische Ausarbeitung.
Aber auch die Fabriken selbst suchten die Möglichkeit, Einzelanfertigungen in Auftrag zu geben, verfügten sie doch durch den Gewinn aus der Serienproduktion über genügend Geldmittel, jene entstehen zu lassen. Diese aufwendigen Arbeiten wurden von Meistern geschaffen, die oft nur freie Mitarbeiter der Firmen waren. Diese Kunstwerke waren dann für die Firma Aushängeschild bei Gewerbeausstellungen, wenn nicht gar Weltausstellungen. Bei einer möglichen Preisverteilung konnte die Firma mit einer vergrößerten Verkaufschance rechnen, nun nicht bezogen auf das prämiierte Stück, sondern durch den gewachsenen Bekanntheitsgrad bezogen auf die Gesamtproduktion.
Das Konkurrenzdenken wurde auch mit nationalem Eifer betrieben, der dem Ausland Gleichwertiges entgegensetzen wollte. Der Wiener Goldschmied Ratzersdorfer hatte auch im Ausland große Wertschätzung gefunden, seine Arbeiten - Im Stil der Renaissance gehalten mit Anlehnung an die Kunstkammersammlungen - waren sehr aufwendig gestaltet. Er setzte neben den Metalltechniken auch die Verwendung von Kristallglas ein. Gerade die späten 80er Jahre beweisen die Beliebtheit von Prunkgeräten.
Die aus den verschiedensten Materialien bestehende Prunkschüssel, von J. Stork und Karger entworfen, in der Ausführung von Dörflinger und den Gebr. Frank (Abb. 3), bedingte die Anwendung mehrerer Techniken. Dazu wurden Spezialisten herangezogen, um eine kunsthandwerklich sehr qualitätvolle Arbeit entstehen zu lassen.
Die historischen Stile, die man bevorzugte, richteten sich nach den Verwendungszwecken, aber auch nach der Vorliebe der verschiedenen Nationen, die diese Stilrichtung ihrer Blütezeit bevorzugten.
Während das zweite Empire in Frankreich sehr beliebt war, griff man in Deutschland auf die Renaissance, In Österreich auf den Barock zurück.
Wie beliebt gerade auch die Renaissance im deutschsprachigen Raum war, zeigt wohl am deutlichsten ein anderer Kunstgewerbezweig: Die Möbel im sogenannten altdeutschen Stil sind aus der Innenraumgestaltung einer Wohnung im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts nicht wegzudenken und bestimmen so wesentlich den Eindruck auf den Betrachter. Dagegen verwendet die Metallkunst sehr selten die Formen der deutschen Renaissance, sondern vermischt sie mit niederländischem oder italienischem Formengut.
Für die Sakralkunst blieb die Gotik bis in das 20. Jahrhundert verbindlich und wurde in allen Ländern in gleicher Weise bevorzugt.
Dass aber auch der Werkstoff die Stilrichtung bestimmen kann, beweist die Eisenschmiedekunst, die durch die Dominanz dieses Materials in der Spätgotik gerade auf diese Stilrichtung zurückgreift. So sind zahlreiche Türgriffe und Beschlagwerke im gotischen Stil gehalten. Die in der Sakralarchitektur fast festgelegte Vorliebe für die Wahl von Kirchen im mittelalterlichen Stil - man bedenke nur die Vorschriften bei Ausschreibungen von Kirchenbauten - hatte natürlich auch die Nachfrage nach gotischen Beschlägen mit sich gebracht.
Die Firma Albert Milde in Wien ist im österreichischen Museum durch zahlreiche Schmiedearbeiten vertreten. Darunter befinden sich fünf Fertigungsstufen eines Türklopfers in Löwenkopfform, beginnend vom gegossenen Rohling bis zur fertigen Montierung (Abb. 10 bis 14) [siehe auch Weltausstellung in Paris, 1878; Archivbild 1 und 3]. Die gehämmerte Schmiedeeisentechnik in handwerklich meisterhafter Ausführung wird anhand eines Bildnisses im altdeutschen Stil vorgeführt (Abb. 15) [siehe auch Palais des Herrn Johann Sturany; Bild 5].
Seit den 50er Jahren unseres Jahrhunderts wird dem Historismus ständig wachsende Aufmerksamkeit geschenkt. Erschienen vor allem Publikationen über die Architektur des Historismus, so folgen bereits auch Arbeiten, die das Kunstgewerbe jener Zeit zum Thema haben. Ziel dieses Aufsatzes ist es, die verschiedenen Techniken der Metallbearbeitung vorzustellen, die sich im 19. Jahrhundert verändert haben.
Ein schmiedeeiserne Löwenkopf ist auch an der Tür von Peles Castle angebracht.