In den Maßen als die dichte Verbauung im Weichbilde unserer Stadt fortschreitet, sucht und findet auch der Wiener Ersatz in der Umgebung der Metropole, welche sich namentlich von der West- und Südgrenze der Stadt in steigender Schönheit bis in die Täler der Alpen entwickelt.
Die Schienenwege gleichen bereits den Unterschied der Entfernung wesentlich aus, und ein Tal, wie beispielsweise jenes voll Reichenau, welches an den Abhängen des Schneeberges und der Raxalpe - also mitten im Hochgebirge - liegt, und das von Wien aus in zwei Stunden erreicht werden kann, darf noch zu der Umgebung Wiens gezählt werden.
Dieses herrliche, an Naturschönheiten so reiche Alpental, obgleich noch immer nicht nach Gebühr und im Verhältnisse zu der Bequemlichkeit der Kommunikation gewürdigt, erfreute sich auch in den letzten Jahren eines stets wachsenden Zuspruchs, wofür auch die zahlreichen Villenbauten, welche in dieser Zeit entstanden sind, Beweis liefern.
Die großen Annehmlichkeiten eines solchen Aufenthaltes erkennend, hat sich auch Se. kais. Hoheit Erzherzog Karl Ludwig einen der schönsten Punkte dieses Tales zum zeitweiligen Sommeraufenthalte auserwählt und zu diesem Ende das betreffende große Grundstück, „Wartholz“ genannt, im Jahre 1870 erworben. Dasselbe liegt an dem Kreuzungspunkt der nach Edlach und Hirschwang führenden Straßen, an den Abhängen der Raxalpe, welche den bewaldeten Hügel, auf dem die Villa erbaut ist, mächtig überragt.
Das Programm für den Bau war von den kaiserlichen Hoheiten ganz genau vorgezeichnet und weicht von dem ähnlichen Herrensitz nicht unwesentlich ab, indem besonders gefordert wurde, dass die Villa Wartholz ausschließlich die Wohnräume für die erzherzogliche Familie zu enthalten hätte, während die Wohnungen für den Hofstaat und für die Dienerschaft in einem entfernt von der Villa aufzuführenden Nebengebäude untergebracht werden sollten, wohin auch Stallungen und Remisen zu verlegen wären. Diese Forderung wurde auch, so gut als es tunlich schien, berücksichtiget; nur mussten die Küchenlokalitäten dennoch in die Villa verlegt werden, nachdem die Entfernung des Nebengebäudes von der Villa beiläufig 100 Meter beträgt und da der zur Verbindung beider Bauwerke projektierte Gang auch wegen der allzugroßen Niveau-Verschiedenheit nicht durchführbar erschien. Die Planierung des von Sr. kais. Hoheit selbst ausgewählten Bauplatzes auf einer natürlichen Stufe des bewaldeten Hügels erforderte eine umfassende Erdbewegung, um ein hinreichend großes Plateau und eine künstlich geformte Terrasse, welche bis zu dem tieferen Wiesengrunde herabführte, herzustellen.
Der hinter der Villa ansteigende Hügel und als Abschluss die pittoreske Raxalpe bilden einen sehr günstigen Hintergrund zu dem Bauwerk, welches seine Hauptfront nach dem gegen Osten geöffneten Tale mit prächtiger Fernsicht über den Payerbacher Viadukt kehrt.
Die Nebengebäude, welche hier nicht weiter in Betracht kommen sollen, und welche ein größeres Flächenausmaß als die Villa selbst bedecken, liegen ganz vom Waldesgrün eingeschlossen, sind gleichzeitig mit der Villa nicht sichtbar, und werden nur von der nach der Villa führenden Straße aus, an welcher sie liegen, gesehen.
Letztere führt in sanfter Steigung zu der an der Rückseite der Villa gelegenen Auffahrt, die in das vereinigte Vestibül und Stiegenhaus und weiter in einen mit Glas gedeckten Hof leitet.
Die Villa enthält über einem das Terrassen-Niveau um 5 Fuß [ca. 1,58 m] überragenden Souterrain ein Hochparterre von 16 Fuß [ca. 5,06 m] Höhe, einen ersten Stock von 15 Fuß [ca. 4,74 m] Höhe und einen teilweise frei aufgebauten, teilweise in das Dach eingebauten zweiten Stock.
Die von Eichenholz ausgeführte Haupttreppe führt nur vom Hochparterre in den ersten Stock; eine steinerne an dem Hof gelegene Nebentreppe führt vom Souterrain bis zum Dach und weiter in den Turm. Überdies ist das Souterrain von einer in den Lichthof hinabführenden Treppe zugängig, um die Verbindung nach den daselbst liegenden Küche11lokalitäten ganz außerhalb der Villa zu verlegen.
Das Souterrain enthält die Küchenlokalitäten, Vorrats- und Kellerräume, steht in Verbindung mit dem Lichtgraben und durch diesen mit der außerhalb des Gebäudes liegenden Eisgrube.
Im Hochparterre gelangt man unmittelbar von den Vestibülen in die Kapelle, welche Se. kais. Hoheit wegen der großen Entfernung einer Kirche der Benützung nicht nur des Hofhaushaltes, sondern auch der nachbarlichen Bewohnerschaft überlassen wollte. Von dem an dem Hof liegenden Verbindungsgange sind die Gesellschafts-Lokalitäten, Gastzimmer und das Badezimmer zugängig.
Der erste Stock enthält die Wohnräume der kais. Hoheiten, der kais. Prinzen und das von dem Wohn-Appartement zugängige Oratorium der Kapelle. Der zweite Stock enthält die ferneren Wohnräume der kais. Prinzen, der Prinzessin und deren Erzieher.
Der Zusammenhang dieser genau nach den Höchsten Bestimmungen angeordneten Räumlichkeiten ist aus dem Grundrisse zu ersehen.
In gleicher Weise erstreckte sich die Einflussnahme der kaiserlichen Erbauer auch auf die künstlerische Gestaltung des Bauwerkes und ist sowohl die Anlage des Turmes, als auch des Erkers, der Terrassen, Veranden und Balkone über speziellen Auftrag Ihrer kais. Hoheit, weil Frau Erzherzogin Maria Annunciata erfolgt.
Indem solche von der Örtlichkeit bedingte Voraussetzungen und spezielle auf Raumbenützung und architektonische Erscheinung des Bauwerkes bezügliche Wünsche das Programm bildeten, welches sich mit Sorgfalt sogar auf besondere Detailbestimmungen erstreckt hat, so lag für den Architekten in dieser sehr weit gediehenen Einflussnahme der Höchsten Erbauer, obgleich die Konzeption in gewisser Hinsicht vorgezeichnet war, dennoch eigentlich keine Beschränkung der künstlerischen Aufgabe, für welche noch ein reiches Feld der Tätigkeit freigelassen wurde, und dieselbe bestand eben darin, einem, den kais. Hoheiten von dem künftigen Wohnsitz vorschwebenden Ideale nach Möglichkeit nahe zu kommen und demselben einen realen Ausdruck zu verleihen.
Die Ausführung erfolgte durchaus in solidester Weise. Die Verkleidung des Souterrain-Geschosses, der Terrassen und des Erkers, sowie die Herstellung von Gesimsen, Dachfenstern und sonstigen Dekorationen wurde mit Stein bewerkstelligt, und zwar wurde für die Verkleidungen der Stein von Brunn am Steinfeld, für Gesimse, Balkone und Baluster teilweise Grisignano- und Mühlendorfer, teilweise auch Margarether Stein verwendet. Für die Wandverkleidung in den beiden oberen Stockwerken kamen Ziegel in zwei Farben, für die übrigen Wandflächen hydraulischer Mörtelputz in Anwendung.
Im Stiegenhaus, im Hofe und in den wichtigeren Wohnräumen wurden die Decken in Stuckgliederung und mit mäßiger Anwendung von Stuckverzierungen ausgeführt. Im Übrigen ist die Ausstattung den Höchsten Bestimmungen zufolge einfach gehalten, hingegen wurde besondere Sorgfalt auf eine der Bestimmung dieses Bauwerkes angemessene solide Durchführung verwendet.
Die Terrasse, welche vor der Villa eine Breite von 48 Fuß [ca. 15,17 m] erlangt hat, bedingte einen mächtigen Unterbau, welcher eine aus Lisenen und Nischen kombinierte Architektur hervorrief und durch die beiderseitigen von dem Wiesengrunde nach dem Plateau führenden Rampen abgeschlossen wird.
Durch umfassende Kanalisierung ist für entsprechende Ableitung der sich ansammelnden Wassermassen vorgesorgt. Die Villa wird von einer auf die Entfernung von beiläufig ¾ Meilen [ca. 5,7 km] hergeleiteten Wasserleitung mit vorzüglichem Trinkwasser und reichlichem Nutzwasser versorgt. Auch wird ein im Park hinter der Villa gegrabenes Schwimmbassin von dieser Wasserleitung gespeist.
Auf dem großen vor der Villa gelegenen Parterre sind Glashäuser und Gärtnerwohnung, sowie eine Reitschule angelegt. Zahlreiche im Park zerstreut liegende nach der Angabe Sr. kais. Hoheit ausgeführte kleine Bauobjekte erhöhen die Annehmlichkeit der Benützung des schönen Parks.
Der Bau wurde im Jahre 1870 in Angriff genommen und waren im Jahre 1872 sämtliche Bauobjekte vollendet.
Die Herstellungskosten der hier besprochenen Objekte betrugen, und zwar für den Bau der Villa samt allen hierzu gehörigen Baueinrichtungen, als:
Wasserleitung, Bäder, Luftheizung, Aufzüge etc. 209.500 fl. [ca. 2'300.000 Euro; März 2011]
Innere Ausstattung und Einrichtung der Villa 48.600 fl. [ca. 530.000 Euro; März 2011]
für die Herstellung der Terrasse samt Erdbewegung 15.400 fl. [ca. 170.000 Euro; März 2011]
Ich sehe mich angenehm veranlasst, der umsichtigen und gewissenhaften Tätigkeit des mit der Durchführung dieser Bauunternehmung von mir bestellten Bauführers Herrn Architekten Heinrich Missong rühmend zu erwähnen, ebenso der Tüchtigkeit der Ausführung aller einzelnen Arbeiten, welche nachfolgend angeführten Geschäftsleuten und Firmen anvertraut wurden.
Baumeister Eduard Frauenfeld, Ziegel und Terrakotten Wienerberger Ziegelfabriks- und Bau-Gesellschaft, Steinmetzmeister Joh. Konheiser, Bildhauer Jos. Pokorny und Math. Berglehner, Zimmermanns-Arbeiten Allgem. österr. Baugesellschaft, Zinkguss- und Spenglerarbeiten Karl Diener, Schieferdecker-Arbeiten Julius Schwab, Wasserleitung und Badeeinrichtung Karl Specker, dekorative Stuckarbeit Anton Detoma, Tischlerarbeit Friedrich Paulick, Schlosserarbeit Albert Milde, Traversenlieferung die Zöptauer Gewerkschaft, Terazzo- und Mosaikpflasterung 0. Odorico, Speisenaufzug Anton Freissler, Brunnen und Wasserleitung Jos. Bösenkopf, Herde- und Maschinistenarbeit Jos. Nicoladoni, Luftheizung Aktien-Gesellschaft „Neptun“, Oefen Bernb. Erndt, englische Aborte Jos. Klemm, Glaserarbeit Jos. Rankl's Witwe & Sohn, Maler und Dekorationsarbeit Georg Gläser, Anstreicherarbeit Andreas Metzner, Tapezier- und Dekorationsarbeiten Heinr. Backè, Möbelstoffe und Tapeten Philipp Haas & Söhne, Möbel Heinr. Dübell, Möbel Anton Rabe in Reichenau, Marmor-Kamine Karlo Vanni. (2)