Bild 1: Aquarellzeichnung der Hermesvilla, Vorderseite. (1)
Bild 2: Hermesvilla, Hofseitige Ansicht (2)
Bild 3: Hermesvilla, Nebengebäude (3)
Bild 4: Hermesvilla, Hermesstatue (4)
Bild 5: Hermesvilla, Fensterscheibe im Stiegenhaus (5)
Bild 6: Hermesvilla, Stiegengeländer von unten (6)
Bild 7: Hermesvilla, Stiegengeländer von unten (7)
Bild 8: Hermesvilla, Stiegengeländer von unten (8)
Bild 9: Hermesvilla, Stiegengeländer von unten (9)
Bild 10: Hermesvilla, Detail des Geländers im Stiegenhaus mit einem doppelten "E" (=Elisabeth) (10)
Bild 11: Hermesvilla, Stiegengeländer von oben (11)
Bild 12: Hermesvilla, Stiegengeländer von oben (12)
Bild 13: Hermesvilla, Stiegengeländer oben (13)
Die kaiserliche Villa im Tiergarten.
Von Dir. Dr. Albert Ilg.
Im Sinne moderner Anwendung des Renaissancestils, mit besonderer Zuneigung zu dessen französischer Nuance, baut sich die Villa Hermes, wie Ihre Majestät den herrlichen Sitz genannt hat, mit Ecktürmen und mächtig vortretendem Mittelrisalit, ohne strenge Symmetrie leicht, freundlich und heiter empor. Sowohl im Erd- als im Nobelgeschoss liegen hier wie auf allen vier Seiten des Hauses den sämtlichen Gemächern Austritte in's Freie vor, indem teils Balkons, teils aber zierliche Lauben von reichgeschmiedetem Eisenwerk, letztere also in zwei Stockwerken übereinander, der Architektur eingefügt sind, die durch ihre feine, graziöse Formenwelt höchst erfreulich belebt wird. Eben dieselben geschmackvollen Eisenkorridore verbinden dann die Schmalseiten des Hauses im Erdgeschoss mit dem im Hofe stehenden Stall- und Küchengebäuden und bilden zugleich, von Grün umsponnen, festliche Einfahrtsportale in den weiten Raum dieses Hofes. Ihre Farbe ist ein helles, zum Steinton gut passendes Grau mit mattgelben Andeutungen der Gliederung. Sie sind von Gridl meisterhaft hergestellt, von dem auch die schönen Gitter der vergoldeten Balkons und Fensterparapete [Fensterbrüstung] herrühren, welche in reichen Verschlingungen das Monogramm des Allerhöchsten Kaiserpaares enthalten.
Die Giebel der seitlichen Pavillons schmücken Kindergestalten, von Weyer in Sandstein gehauen, jenen des Risalits aber die schönen sitzenden Figuren der Flora und Diana von der Hand desselben Künstlers; der große Balkon ruht hier auf toskanischen Säulen von grauem böhmischen Granit, zwischen welchen elegante Bronzevasen stehen; der Fußboden unter dem Balkon gleichwie in den sämtlichen Eisenlauben um das Gebäude ist mit bunten, schön dessinierten Tonfliesen aus der Wienerberger Fabrik gepflastert. Einige Stufen abwärts in den von Inspektor Rauch geschmackvoll ersonnenen Gartenanlagen ist dem Ausgange des großen Parterresaales eine halbrunde, von Steinbalustraden umfriedete und mit Bronzevasen besetzte Terrasse vorgelegt, deren Mittelpunkt eine schlanke Brunnenschale einnimmt. Aus derselben erhebt sich die aus Marzanastein gehauene Gruppe eines Putto mit einem Krokodil, dessen Rachen der plätschernde Strahl entsteigt eine treffliche Komposition Victor Tilgner's. Besonders elegant nimmt sich von dieser Seite das rechtsseitige Stiegentürmchen aus, über dessen Eingang die Inschrift: »Salve!« grüßt und dessen feines Kuppeldach aus weißem Stein schuppenartig gefügt ist. Tiefer unten im Gartenparterre bezeichnet heute noch ein Blumenbeet die Stelle, wo die ihrer Vollendung entgegengehende Marmorfigur des Hermes von Ernst Herter hier gleichsam als Wächter aufgestellt - ihren Platz finden wird, der schöne, freundliche Hüter, von dem das prachtvolle Gebäude seinen Namen führt.
Die Hofseite hat analoge Durchbildung, nur fehlen hier die eisengeschmiedeten Terrassen, dafür tritt eine mächtige Zufahrt auf Pfeilern hervor, im Nobelgeschosse zur Stütze eines großen Balkons dienend. Die hübschen Kinderfiguren Weyer's mit dem Monogrammenschilde fehlen gleichfalls nicht an den Giebeln. Die Fläche des Hofraumes hat oblongen [länglichen] Grundriss, rückwärts an die Berglehne stoßend, welche außerhalb des Hofes mit Gartenpfaden, Steigen, Alpenpflanzen und Felsstücken dekoriert ist. Aus einem riesigen Mascaronbaupte (von Weyer) in einer Nische rauscht ein breiter Wasserstrahl in eine Brunnenmuschel herab. Im Inneren des Hofes befinden sich zunächst des Hauptgebäudes Blumenbeete, dann steigen sanfte Terrassen auf, deren Steingeländer mit Balkonen von reichornamentiertem Schmiedeeisen, von Milde gefertigt, besetzt sind. Die großen Standkandelaber bei der Fassade gingen dagegen aus der Eisengießerei Wagner hervor und die nicht minder geschmackvollen Hängelaternen in den Bogen der Eisenlauben sind von Gillar. Die Mitte des wahrhaft malerischen Hofraumes nimmt ein auf vier Sandsteinsäulen ruhender, grün umsponnener Pavillon ein, unter dessen Dach aus einem wieder von Weyer gemeißelten Marmorkopfe das Wasser herausquillt; weiter vorne, dem Schloss gegenüber, aber liegt die reizende Fontaine Tilgner's, deren Gruppe die ruhende Waldnymphe vorstellt, neben welcher eine Hindin gelagert ist.
Wir betreten das Innere der Villa von der Zufahrt im Hofe, wo im Mittelbau in jeder Etage je zwei Säle hintereinanderliegen, so zwar, dass der zweite, größere, sich auf der anderen Seite gegen den Garten öffnet. Der Vorsaal bildet ein Achteck, dessen Wände mit dunkelgelben Ledertapeten bedeckt sind, an denen sich unten aber Holzlambris im Stil deutscher Renaissance herumziehen, nur in einer Ecke für den gleichfalls mit Schnitzwerk umgebenen Kamin Raum lassend, in dessen Bekrönung das Medaillonbild des Hermes aus Bronze, von Scharff modelliert, eingesetzt ist. Lambris und Holzplafonds lieferte Hoftischler Paulik. Eine Uhr und Vasen aus Delfter Poterie erheben sich in kolossaler Größe auf dem Kamin. Auf dem von weißem und schwarzem Marmor gewürfelten Estrich steht die lebensgroße Marmorfigur eines Hundes als Wächter des Einganges, am Kamin Lederstühle im Charakter des 16. Jahrhunderts, von Irmler ausgeführt; die drei Eingangstüren aber enthalten in ihren Flügeln alte Glasmalereien mit Wappen aus dem 17. Jahrhundert (darunter solche der Schweizer Bürgerfamilien Must, Hottinger, Escher etc. von 1608) in einer modernen, von Geiling stilvoll gearbeiteten ornamentalen Einfassung. Von der getäfelten Decke hängt ein prachtvoller, von Richter und Hollenbach gegossener Bronzeluster herab, wie alle Beleuchtungsobjekte für elektrisches Licht eingerichtet.
Der Charakter dieses Vorraumes atmet den Ernst der nordischen Einrichtungsweise im 16. Jahrhundert; südliche und zugleich echt moderne Eleganz dagegen überrascht uns in dem dahinterliegenden großen Hauptsaale, welcher ein längliches Viereck mit abgestumpften Ecken bildet; er dient als gemeinsamer Speisesaal. Die Wände sind mit schwarz und ockergelb geflecktem Marmor und entsprechender Stuccatur inkrustiert, dazwischen aber zahlreiche große Panneaux, von feinstem Marmorzementguss von Hutterer ausgeführt. Ihre graziöse, jedes Mal nach verschiedener Erfindung gehaltene Ornamentik ruft uns die Grotesken des Vatikan, aber zugleich auch die prunkvollen Entwürfe Berrain's ins Gedächtnis; denn die Dekoration des herrlichen Saales will sich als Renaissance im Sinne modernster Empfindungsweise geben. Die Embleme, die zierlichen Figuren haben auf Jagd- und Landleben Bezug, sowie Tilgner's Kindergruppen in den Supraporten-Reliefs der fünf hohen Türen ebenfalls Jagd- und Gartenbau, Fischfang u. dgl. Beschäftigung andeuten. Das gewaltige Ovalfeld des reich gegliederten Plafonds nimmt Tilgner's großes Stuck: "Aurora schwebt vor dem Wagen des Sommers durch die Lüfte", ein, eine poetische Komposition, welche der Künstler in einer seit der Periode unserer großen Barockmeister vergessenen Technik sehr glücklich zur Ausführung gebracht hat. In den rückwärtigen Ecken des Saales bilden zwei Nischen Rocaille Grotten, in welchen Wasser über die Muscheln plätschert; die Kinderfiguren hat ebenfalls Tilgner gemeißelt. Der Spiegelkamin zur Rechten von dunkelgrünem Marmor enthält ein kleines, höchst detailliert behandeltes Bronzerelief: „Prometheus stiehlt dem Sonnengott das Feuer“, von Scharff 1885 vollendet, vielleicht sein bestes Werk. Stühle und Tische sind meist mit feinem Blümchenmuster dekoriert, auf Rococotischen stehen kostbare, alte chinesische Porzellangeschirre, Festlichkeit und gemütvolle Prächtigkeit ist in diesem schönen Raume aufs Glücklichste vereinigt, der Blick auf das Gartenparterre und über die Wälder hinaus auf die Wiener Ebene verleiht ihm ganz besonderen Reiz.
Rechts von hier gelangt man in die Appartements Ihrer kaiserlichen Hoheit der Frau Erzherzogin Marie Valerie. Sie sind im Charakter des Rokokos heiter geschmückt, einzelne Möbel und Panneaux mit Engel köpfen und Blumen von Frau Max-Ehrler in zarter Weise bemalt. Von hier führt die erwähnte Wendeltreppe des schönen Stiegentürmchens hinauf in die Wohnräume Ihrer Majestät, ein kleiner Prachtbau von weißem Marmor aus Laas in Tirol.
Auf der linken Seite des Entrees liegt das Stiegenhaus, welches in der ganzen Höhe des Hauses emporsteigt. Es ist ein Raum von eigenartigem Reiz. Gänzlich mit braunem Holz getäfelt (von Hoftischler Paulik) hat es gleich dem Vorsaal deutschen Renaissance-Charakter; der Fußboden ist mit schwarzem und weißem Marmor gepflastert. Die um die Wände im Winkel laufende Treppe ist mit Stufen von Sterzinger Marmor versehen, über welche Teppiche gebreitet sind. Ein Meisterwerk österreichischer Kunstindustrie muss man das Treppengeländer nennen, welches im reichsten Renaissancestil aus Eisen und Bronze von Milde und Hanusch gearbeitet ist; von Letzterem rühren auch die bronzenen Armleuchter an den Wänden- her. Den balkonartigen Podest der herrlichen Stiege, welcher zu den Türen des ersten Stockwerkes führt, tragen phantasievoll erdachte weibliche Karyatiden, in Holz geschnitzt, von Weyer, Arbeiten, die den Künstler in seinem ganzen Können zeigen. Ein italienischer Gobelin des 16. Jahrhunderts schmückt die Hauptwand, unten in der Mitte steht auf einem Postament die ausgezeichnet schöne Marmorfigur des sterbenden Achilles des Bildhauers Herter.
Der erste Stock beherbergt die Wohnräume Ihrer Majestäten, links die des Kaisers, rechts die der Kaiserin; zwischen denselben liegen die zwei Säle des Mittelbaues über dem schon geschilderten Parterre-Entree und Speisesaal. Von der Treppe betritt man zuerst den kleineren über dem Entree, einen überaus prachtvollen Salon, dessen mit Glasmalereien der deutschen Renaissance - wieder alte, echte Stücke - gezierte Flügeltür auf den großen Balkon führt. Die Wände bedecken dunkle Stofftapeten, wie denn der Gesamtcharakter des oktogonen Raumes überhaupt ein vornehm-ernster ist. Ein Prachtkamin von rotem und grünem belgischen Marmor trägt eine kostbare Rokoko - Pendule, die Möbel gehören zum wertvollsten alten Hausrat. Da finden wir eine Reihe sogenannter Cordova-Stühle mit vergoldeten Lederüberzügen, Wappen verschiedener Päpste des 17. Jahrhunderts enthaltend; einen spanischen Klappschrank der Renaissance mit Bemalung, Vergoldung und Metallbeschlägen, wie derlei Prachtexemplare nur äußerst selten vorkommen; übermannshohe Vasen und Schalen von braunem Alabaster von. Florentiner Arbeit, endlich eine chinesische Riesenbronze, welche einen Kranich von beiläufig 1,58 Meter Höhe vorstellt. (15)