Allgemeines:
Der rund 2500 Hektar große Lainzer Tiergarten gehört zu den beliebtesten Ausflugszielen der Bundeshauptstadt - wohl auch deshalb, weil er ohne längere Anreise zu erreichen ist. Allerdings können sich die Wiener an dem Reservat erst seit dem Jahre 1919 erfreuen, denn damals wurde es zum ersten Mal öffentlich zugänglich gemacht, vorher war es streng gehütetes Jagdgebiet für die hohen und höchsten Herrschaften - ebenso wie zwischen 1938 und 1945. Nach dem Zweiten Weltkrieg hauste die sowjetische Besatzungsmacht in dem Areal, welches erst 1955 - nach dem Staatsvertrag - wieder für die Allgemeinheit freigegeben wurde.
Seit 1457 ist bei Laab am Walde urkundlich ein "Tier- und Saugarten" nachgewiesen, der rasch zu einem beliebten und stark frequentierten Jagdrevier der kaiserlichen Familie avancierte. Im Laufe der Zeit wurden die Klagen über die Schäden des austretenden Wildes in den benachbarten Feldern immer lauter, sogar der berühmte Hofprediger Abraham a Sancta Clara - alias Ulrich Megerle - wetterte in einer Fastenpredigt über die Misslichkeiten: "Aber durch das Jagen und Hetzen werden zuweilen die Felder dergestaltet zertreten und verwüstet, dass der arme Bauersmann auf seinem Grund nicht Getreid, sondern lauter Kleid zu schneiden findet."
Joseph II. ließ in den Jahren 1782 bis 1787 den Tiergarten mit einer 22 Kilometer langen Mauer umgeben, die der Baumeister Philipp Schlucker errichtete. Angeblich verkalkulierte sich dieser und ging als "armer Schlucker", seinem Namen alle Ehre machend, in die Annalen ein. Aber anscheinend lebt es sich von Defiziten gar nicht so schlecht, denn Schlucker schied als wohlbestallter Mann von dieser Erde und hinterließ ein beachtliches Vermögen.
Mehr Gemetzel als Jagd
Dem normalen Volk kam kaum zu Ohren, was sich hinter der Mauer abspielte und unter der Bezeichnung Jagd firmierte. Das penibel geführte Schussbuch des Thronfolgers Franz Ferdinand verzeichnete für den 7. Jänner 1907 nicht weniger als 176 Stück erlegtes Wild. Insgesamt brachte es der schießwütige Erzherzog in seinem Leben auf 274.889 Abschüsse.
Das sei gar nicht so arg, liest man in manchen Chroniken, ungarische Magnaten hätten zu dieser Zeit mehr als einer halben Million Tieren den Garaus gemacht. Der Oberstjägermeister jedenfalls ordnete mehrmals an: "Wenn allerhöchste und höchste Herrschaften Ausflüge in die hier ämtlichen Jagdreviere unternehmen, hat das Forstmeisteramt strengste Sorge zu tragen, dass hiervon im Publikum nichts bekannt werde."
Über den späteren Kaiser Franz Joseph heißt es in einem Band über den Lainzer Tiergarten: "In seinen jungen Jahren war er den Genüssen der organisierten Jagden mit Massenstrecken keineswegs abhold. Schon als jugendlicher Erzherzog schoss er mit seinem Vater und seinen Brüdern eine Unzahl von Hirschen, Damwild und Sauen im k. k. Tiergarten.“ Es ist anzunehmen, dass er auch im Sturmjahr 1848 an der am 22. August von seinem Vater Franz Karl organisierten Jagd im Lainzer Revier teilgenommen hat. An diesem Tage kamen bei der so genannten Prater-Schlacht 22 Menschen ums Leben. Im September habe Franz Joseph mehrmals gejagt, wobei 36 Mann Militär zum Schutze des Tiergartens abgestellt waren.
Golf und Hunderennen
Unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg ging der Lainzer Tiergarten in den Besitz des Kriegsgeschädigtenfonds über, der knapp vor der Pleite stand und nichts unversucht ließ, um zu Geld zu kommen, obgleich schon damals viele Stimmen laut wurden, die eine vollkommene Unterschutzstellung des Gebiets aus Naturschutzgründen und als Luftreservoir für die Großstadt forderten.
Beim Lainzer Tor wurde 1929 ein Golfplatz errichtet, dessen Klubhaus im Februar 1954 niederbrannte, offensichtlich wegen einer Unachtsamkeit der sowjetischen Besatzer, die zudem die Feuerwehr zu spät verständigten. Der Ingenieur Rudolf Heine und sein englischer Partner erhielten die Konzession, im Lainzer Tiergarten ein Sportstadion zu betreiben und dort Hunderennen, Motorradveranstaltungen und sonstige sportliche Vorführungen - Box- und Ringkämpfe ausgenommen - abzuhalten. Auch ein Tierfriedhof war geplant.
Zum Glück zerschlugen sich alle diese Pläne, lediglich beim Bau der Westautobahn musste ein Stück des Reservats geopfert werden.
Voller Schutz garantiert
Um jegliche Beeinträchtigung des geschützten Gebietes zu verhindern, hat die Wiener Landesregierung 1998 besondere Maßnahmen gesetzt, zumal der Lainzer Tiergarten als Natura-2000-Region Teil eines europäischen Netzes von besonders wertvollen Gebieten ist.
Zu den botanischen Juwelen des Gebietes gehört der Eichenwald auf dem Johannserkogel, dessen Bäume auf ein Alter von rund 500 Jahren geschätzt werden - die Schößlinge gingen auf, als Columbus Amerika entdeckte. Auf den Wiesen und in den feuchten Bereichen kann man sehr seltene Pflanzen entdecken, wie Kartäusernelken, Knabenkräuter, Lungenenzian, Alant, Tausendguldenkraut, Sumpfstendel oder Sumpfquendel.
Rund tausend Wildschweine, knapp hundert Hirsche, Damhirsche, Rehe und Mufflons werden im Lainzer Tiergarten gehalten, meist lässt sich das Wild auch leicht beobachten. Beim Lainzer Tor findet zwischen Anfang Oktober und Ende April täglich um 14 Uhr die Fütterung des Damwilds und der Mufflons statt, auf der Großen Stockwiese werden von Mitte Februar bis Ende September täglich um 14 Uhr die Wildschweine gefüttert.
In der Hermesvilla finden regelmäßig Ausstellungen des Wien Museums statt.
Wege nicht verlassen
Der Lainzer Tiergarten ist von einem Netz von Wanderrouten durchzogen, auf denen alle markanten Punkte des Schutzgebietes erreicht werden können. Still und heimlich wurde vor einigen Jahren ein" Wegegebot" erlassen, man darf also von den Routen nicht abweichen.
Schwierigkeiten mit dem Gelände gibt es natürlich nicht, nur muss man aufpassen, wenn im Frühjahr die Bachen Frischlinge führen, denn dann reagieren sie auf Störungen ziemlich aggressiv.
Der Tiergarten ist von Mitte Februar bis Mitte November täglich ab acht Uhr bis zum Einbruch der Dämmerung frei betretbar, das St. Veiter und das Adolfstor werden nur an Wochenenden und Feiertagen aufgesperrt. Während der Winterruhe kann man nur den Abschnitt zwischen Lainzer Tor und Hermesvilla betreten.
Bei allen Eingängen gibt es Pläne mit eingezeichneten Routen und exakten Entfernungsangaben. |